Ellen Scheel

Katz(e) Heide's große Tat


Jedes zweite Kind in Schleswig-Holstein kann nicht schwimmen.
Für alle wackeren KämpferInnen, und besonders für Andreas


In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel lebt die Katze Heide. Geboren in einer Wohnung im Stadtteil Gaarden, wurde sie im Alter von sechs Wochen von ihrer Mutter getrennt, in die Mülltonne geworfen und vergessen (oh, oh, ein richtig schlechter Start ins Leben).

Nun, sie hatte Glück im Unglück, denn der kleine Julian hörte beim Spielen mit Freunden ihr klägliches, hungriges Maunzen. Er nahm die hübsch getigerte Katze mit den gelben Augen aus dem Müll heraus, ging mit ihr, liebevoll in sein Hemd eingehüllt, nach Hause und bat seine Mutter darum, dem Kätzchen Asyl zu geben.

Die gute Frau sah in die bittenden Augen von Julian und wusste, dass sie um jeden Preis seinen Wunsch erfüllen wollte (einen Esser mehr kriegte sie immer noch mit durch, und das Kätzchen war sooo süß). Heide hatte nun ein sehr schönes zu Hause und wuchs zu einer artigen, stattlichen Katze heran. Niemals wurde sie geärgert oder gequält. Sie war ein vollständiges Mitglied der kleinen Familie. Verwöhnt, mit gutem Futter (freitags gab es immer Beefhack mit Eigelb) und vielen Streicheleinheiten genoss sie ihr schönes Leben. Als die Kinder aus dem Elternhaus gingen, um ein eigenes Leben zu führen, blieb Heide Ihrer Menschenmutti Lena treu.

Ihr Katzenterminkalender war kurz und knapp: Morgens einmal nach dem Rechten schauen und an den schönen Blumen riechen, dann auf dem Sofa Vormittagsschläfchen. Wenn Lena am Nachmittag von der Arbeit kam, wurde erst einmal laut miaut das brachte ausgiebige Streicheleinheiten und ein paar Leckereien. Nun folgte ein Nachmittagsschläfchen auf Lena's Bauch ... danach die wichtige Dachbodenkontrolle. Am Abend wurde immer noch kurz mit dem neuen Staubsaugroboter gekämpft. Easy Going für Heide (kurzes anfauchen, ein Pfotenhieb mit rechts, dann eine kurze Linke und schon wusste das laute Ding, wer die Nummer eins im Hause ist und wechselte als Verlierer des Kampfes die Richtung).

Bevor der pfiffige Muldendackel dann in Lena's Kuschelbett hüpfte, wurde noch eine Runde um das Haus gedreht. Am schönsten war es immer, wenn am Wochenende Hein, Lena's Freund zu Besuch kam. Den hatte Heide total lieb, weil er so warme, liebevolle Hände hatte. Lena war fast ein bisschen eifersüchtig, weil die beiden so ein Vergnügen beim "gegen den Strich streicheln" hatten und Heide fast immer ins Streichelkoma viel. Gerne brachte Heide als Geschenk und Liebesbeweis eine Maus (auch lebend) mit nach Hause. Lena fand das eigentlich nicht so toll, aber sie wusste ja, wie Heide das meinte. Diese Fänge machte sie schon seit Jahren in einem nahegelegenem Freibad. Ein supercooles Jagdrevier.


Kiel - Katzheide"

Doch die Zeiten änderten sich, und nichts ist so beständig wie der Wandel.

Das Schwimmbad wurde geschlossen. Die Kosten für den Betrieb und die sehr dringende Renovierung stiegen immer mehr in die Höhe, und die gewählten Räte der Stadt beschlossen, diese Begegnungstätte aller Nationen still und leise aufzugeben. Die Einwohner der Stadt würden es gar nicht vermissen, da sie ja die Ostsee vor der Tür hatten, und außerdem ein modernes Spaßhallenbad gebaut wurde (Lena's Meinung dazu war: "Sie findet so ein Bad klasse. Nun, da sie allein ist, hätte sie das Geld für den Eintritt, aber als ihre Kinder noch klein waren, musste sie als Alleinverdienerin oft jeden Cent umdrehen. Da wäre in so einem Spaßbad nur ein Besuch im Jahr, gesponsert von Oma, möglich gewesen") Also, was wollten die Steuerzahler denn noch mehr! Doch, auch hier sprach das Schicksal mit. Die Bürger der Stadt wollten diese Oase nicht verlieren, und Katz(e) Heide sah das genau so. Wer in der Ostsee baden will, sollte zuerst einmal schwimmen lernen, und eine Landeshauptstadt ohne Freibad? (Wie peinlich ist das denn ...?)


Katzheide - Meine Perle"

Bürgerinitiativen sorgten für große Aufmerksamkeit ... und Heide begriff langsam, was sie verlieren könnte. Sie hörte vielen Gesprächen auf der Straße zu. Die Menschen sprachen sehr gut von diesem Ort, und ihr Frauchen wurde ganz sentimental, wenn sie über ihre wundervollen Kindheitserlebnisse dort sprach. Es gab viele Kinder, die jahrelang durch ein legendäres Loch im Zaun geschlüpft waren, um den Eintritt zu sparen, damit sie sich dann dort am Kiosk Naschies oder Pommes holen konnten. Andere erzählten begeistert vom Schwimmunterricht, oder davon wie schön die Atmosphäre an vielen verregneten Ferientagen und den frühen Morgenstunden war. Lena war früher auch mit ihren Kindern an heißen Sommertagen dort, eine Busfahrt mit zwei kleinen Kindern an den Strand wäre für die kleine Familie viel zu teuer, zu heiß und zu stressig gewesen. (Sie konnten keinen Dienstwagen benutzen so wie die im Kieler Rathaus, die das Bad schließen wollten.)


alt="Gaense in Katzheide"

Heute ist das Schwimmbad sehr heruntergekommen, und die verschiedensten Vogelarten fühlen sich dort wohl. Tja, Katz(e) Heide konnte leider nicht helfen. Sie hätte gerne Mäuse gefangen, um das Schwimmbad erhalten zu können ... aber so viele Mäuse gab es gar nicht.

Guter Rat war nun wieder einmal teuer ...

In windstillen Vollmondnächten hielten die befreundeten Katzen im Schwimmbad ihre Treffen ab (sie schlüpften durch das gleiche Loch im Zaun wie die Kinder), und in diesem März war es wieder soweit. Unbemerkt von den Menschen kamen sie zusammen und plauderten über die neuesten Ereignisse, und natürlich tauschten sie untereinander Erfahrungen aus. Da gab es plötzlich einen lauten Knall, Rauch stieg auf, und das als Wikingermädchen verkleidete Sternchen Romi (Präsidentin des Sternenrates) stand vor den verdutzten Vierbeinern. "Ups" sagte diese "ich glaube da habe ich mich irgendwie verzaubert. Haithabu sieht doch ganz anderes aus, wo bin ich denn hier gelandet?" Die sehr verdutzten Katzen mochten Romi sofort und gaben schnell und bereitwillig Antwort. Nun, unser kleines Sternchen kam überall zurecht und es beschloss die Nacht im Schwimmbad mit den Katzen zu verbringen. Eine Katzenversammlung fehlte noch auf ihrer To-Do-Liste. Viele Geschichten von früher und heute wurden erzählt und auch das sich alle Sorgen machten, weil das Schwimmbad verkleinert oder sogar ganz geschlossen werden sollte. Romi hörte sich die Gedanken der Tiere aufmerksam an und begriff, dass dieser grüne Schatz auf keinen Fall verloren gehen sollte.


alt="Katzheide in Kiel"

Ein Plan musste her und zwar sehr schnell ... ein Problem für die Katzen, aber nicht für Romi ... denn die besaß immer noch den Sack voll Münzen des verstorbenen Zauberers vom Mond (Gold, Silber, Kupfer, siehe das "Märchen vom gefallenen Sternchen"). Besser als für eine Spende, damit das Schwimmbad erhalten bleiben kann, konnte dieser Schatz nicht verwendet werden. Prima Idee, die Katzen jubelten vor Freude! Doch wie sollten die Münzen zu den richtigen Menschen kommen? Heide konnte ja wohl schlecht ins Rathaus gehen und das Schwimmbad freikaufen. Hm, da fiel ihr Freund Andy ein. Der hatte seit jeher immer ein Stückchen Frikadelle und auch ein paar Streicheleinheiten bei zufälligen Treffen am Zaun für Heide übrig gehabt, und sie wusste dass er sich schon lange furchtlos und nervenstark für den Erhalt des Schwimmbades einsetzte. Dieser Mensch wäre genau der richtige Held für diesen speziellen Fall. Alle waren sich einig ... da geht der Beutel hin.

Andy staunte nicht schlecht, als er im Morgengrauen in Gedanken versunken, mit einer Tasse Kaffee in der Hand, aus dem Fenster schaute und ca. 30 Katzen vor seiner Tür sitzen sah. Neugierig, und mit dem Willen, jede einzelne von ihnen zu streicheln, ging er nach draußen. Alle Tiere saßen fein kreisförmig um Heide herum. Als sie Andy sah, maunzte sei soo jämmerlich, dass er an sie heran trat, um nach ihr zu sehen. Nun, Heide war aber nicht zu helfen. Sie stand auf, und schubste den Münzbeutel des alten Zauberers vom Mond (Gold, Silber, Kupfer) in Andy's Richtung. Romi hatte eine kurze Nachricht "Für Katzheide" darauf hinterlassen, und Andy wusste sofort, was die Tiere von ihm verlangten. Kurzerhand erlöste er das Freibad von seinem bevorstehenden Untergang und tat noch mehr als dieses einfach zu kaufen.


"Katzheide - Graffiti"

Es gibt viele arbeitslose Jugendliche in den Stadtteilen von Kiel. Verweichlicht vom Nichtstun und mit schlechten Zukunftsaussichten mobilisierte er sie zur Jugendarbeit. Es wurden Schwimmkurse gegeben, und in lauen Sommernächten fanden Tanzveranstalltungen (über 25, 30, 40, 50) statt. Ein Theaterkreis wurde gegründet, und Mitglieder der verschiedensten Kulturen durften dieses großartige Areal für Tanzaufführungen nutzen. Kunterbunte Abendprogramme, an denen sogar die angestellten Wachleute Spaß hatten (... weil endlich einmal Frieden herrschte und kein Fahrrad gestohlen wurde). Das Restaurant öffnete wieder, und es wurden dort (natürlich neben Pommes) gesunde frische Gerichte zu einem fairen Preis angeboten (viele Kinder hatten ein klitzekleines Gewichtsproblem).

Dieses Konzept ging auf, und trotz der sehr niedrig gehaltenen Eintrittspreise wurde viel Geld eingenommen. In den Wintermonaten wurde das Freibad zum Schlittschuhlaufen geöffnet, und ein Weihnachtsmarkt fand statt. Alles wurde ein großer Erfolg.

So konnte Katz(e) Heide noch viele Jahre in der Nacht durch das Loch im Zaun schlüpfen, dort im Schwimmbad jagen und ihre Artgenossen treffen. ... und Romi, tja, die kam manchmal vorbei und besuchte die Tiere (ihr gehörte inzwischen ein Handy mit Navi, das Zauberreisen sehr vereinfachte).

Ende gut, alles gut.

... und die Moral von der Geschichte: Manchmal geschehen erarbeitete Wunder.

Danke an alle, die geholfen haben Katzheide zu erhalten!


Alle Rechte vorbehalten - Ellen Scheel 2016




Anhang: "Kampf für Katzheide"

Benefiz-Veranstaltung für den guten Zweck in der Coventry Halle
Alle Photos: Boxen für Katzheide



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