Das Geschlecht der Grafen Rantzau ist uralten herzoglich-schleswigschen Stammes. Einer Ureltermutter dieses Geschlechtes begegnete es, daß ein kleines Männlein mit einer Laterne zu ihr kam und sie in einen Berg holte zu einer Wöchnerin bei den Unterirdischen. Sie legte derselben nur die Hand aufs Haupt, und alsbald genas das Zwergenweiblein glücklich. Das Männlein begleitete dann die edle Frau wieder nach ihrem Schlosse zurück und gab ihr einen Klumpen gediegenes Gold und sagte: Lasse daraus fertigen fünfzig Rechenpfennige, einen Hering und zwei Spindeln und verwahre das alles wohl bei deinem Geschlecht, denn solches wird stets in Ruhm und Ehre bleiben, solange von diesen Stücken nichts verloren geht.
Dieses geschah, und die Stücke haben noch auf lange Zeit dem Hause Glück gebracht. Es soll sich diese Tatsache, die auf sehr verschiedene Weise erzählt wird, auf dem Schlosse Breitenberg zugetragen haben. Den goldenen Hering hatte zuletzt Josias von Rantzau, ein tapferer Degen und kriegslustiger junger Held. Er ließ sich ein gutes Schwert fertigen und den Hering an dessen Griff umbiegen und als Bügel anbringen, trat dann in französische Dienste, hatte Glück in unzähligen Schlachten und wurde zuletzt Generalfeldmarschall.
Das zerfallende Herrenhaus Rantzau bei Plön in Holstein
Fechten und Raufen war seine höchste Lust, dabei war er freilich unüberwindlich durch das Erbstück der Ahnfrau. Das wurde ihm, weil es ruchbar geworden, einstmals von einem Kriegskameraden, Caspar Bockwold, ins Gesicht gesagt, er habe gut Fechten und Händel suchen, man wisse wohl, daß er fest sei und sein Mut und seine Tapferkeit im Hering seines Degengriffes stecke. Darüber ergrimmte Junker Josias höchlichst, schleuderte alsbald seinen Degen von sich in den Rhein und forderte Caspar Bockwold auf der Stelle zum Zweikampf und besiegte ihn dennoch.
Selten schlug es ihm fehl, als Sieger aus solchen Kämpfen zu gehen, er hatte deren aber so viele, daß er auch gar manche böse Scharte davon trug. Als er zu hohen Jahren kam, hatte er nur noch ein Auge, ein Ohr, einen Arm und ein Bein und außerdem noch an seinem Leibe sechsundfunfzig Male schwerer Wunden.
Quelle
Ludwig Bechstein - Deutsches Sagenbuch
Meersburg und Leipzig 1930, S. 145-146
Published by Ostufer.Net 2016 / 2023
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