Ostufer.Net - Seegeschichte
Die Macht der Fluten
Sturmfluten - Deichbrüche - Überschwemmungen
17. Februar 1164 - Julianenflut
Diese Sturmflut reisst ein so großes Loch in die ostfriesische Küste, dass dabei der Jadebusen entsteht.
25. Dezember 1277 - Weihnachtsflut
Wiederum knabbert ein Sturm ganz gewaltig an der friesischen Westküste. 30 Dörfer gehen unter, der Dollart am Ausgang der Ems entsteht.
16. Januar 1362 - Rungholt säuft ab
Friesland /Nordstrand: Eine der größten Sturmfluten in der Geschichte der Nordsee bricht über das Land herein, die erste Mandränke oder zweite Marcellusflut. In einer Nacht brechen die Deiche an 44 Stellen.
Es gibt über 6.000 Tote. Von 22 Kirchspielen versinken 19 in den Fluten. Ganz und gar zerstört wird Rungholt, der wichtigste Handelsplatz der Friesen. Die Zerstörung war so radikal, dass die Stadt bis heute nicht gefunden werden konnte. Insgesamt soll es von Flandern bis Dänemark 100.000 Tote gegeben haben.
16. Januar 1511 - Antoniusflut
Das Jade-Unterweser-Gebiet wird völlig zerrissen.
11.10.1634 - Die zweite, schwere Flut
Erneut bricht eine schwere Sturmflut über die Gegend an der Westküste herein, die Burchardiflut oder zweite Große Mandränke. Die Schäden sind ähnlich verheerend wie bei der Katastrophe im Jahr 1362. Die nach dieser Sturmflut wieder besiedelten Gebiete werden endgültig ein Opfer der tobenden See.
Detlev von Liliencron
- Trutz, blanke Hans -
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren.
Noch schlagen die Wellen da wild und empört,
wie damals, als sie die Marschen zerstört.
Die Maschine des Dampfers zitterte, stöhnte,
aus den Wassern rief es unheimlich und höhnte:
Trutz, blanke Hans.
Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden,
liegen die friesischen Inseln im Frieden.
Und Zeugen weltenvernichtender Wut,
taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut.
Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten,
der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten.
Trutz, blanke Hans.
Im Ozean, mitten, schläft bis zur Stunde
ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand.
Es zieht, sechs Stunden, den Atem nach innen,
und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen.
Trutz, blanke Hans.
Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen
die Kiemen gewaltige Wassermassen.
Dann holt das Untier tiefer Atem ein
und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.
Viel tausend Menschen im Nordland ertrinken,
viel reiche Länder und Städte versinken.
Trutz, blanke Hans.
Rungholt ist reich und wird immer reicher,
kein Korn mehr faßt selbst der größte Speicher.
Wie zur Blütezeit im alten Rom
staut hier täglich der Menschenstrom.
Die Sänften tragen Syrer und Mohren,
mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren.
Trutz, blanke Hans.
Auf allen Märkten, auf allen Gassen
lärmende Leute, betrunkene Massen.
Sie ziehn am Abend hinaus auf den Deich:
"Wir trutzen dir, blanker Hans, Nordseeteich!"
Und wie sie drohend die Fäuste ballen,
zieht leis aus dem Schlamm der Krake die Krallen.
Trutz, blanke Hans.
Die Wasser ebben, die Vögel ruhen,
der liebe Gott geht auf leisesten Schuhen.
Der Mond zieht am Himmel gelassen die Bahn,
belächelt der protzigen Rungholter Wahn.
Von Brasilien glänzt bis zu Norwegs Riffen
das Meer wie schlafender Stahl, der geschliffen.
Trutz, blanke Hans.
Und überall Friede, im Meer, in den Landen.
Plötzlich wie Ruf eines Raubtiers in Banden:
Das Scheusal wälzte sich, atmete tief
und schloß die Augen wieder und schlief.
Und rauschende, schwarze, langmähnige Wogen
kommen wie rasende Rosse geflogen.
Trutz, blanke Hans.
Ein einziger Schrei - die Stadt ist versunken,
und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
schwamm andern Tags der stumme Fisch.
Heut bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor fünfhundert Jahren.
Trutz, blanke Hans?
Der Autor: Detlev von Liliencron wurde 1844 in Kiel geboren und starb 1909 in Alt-Rahlstedt.
Pieter Bruegel - Seesturm
Pieter Bruegel - Seesturm
Entstanden um 1560. Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Wien.
Öl auf Holz, 70,5 X 97 cm
3. / 4.9.1814 - Die Probstei unter Wasser
Auszug aus "Skizzen einer Reise nach Holstein besonders der Probstey Preetz" von J. Taillefas, der 1817 in der Gegend unterwegs war und der ein sehr genaues Auge auf Geschichte und Gegend geworfen hat.
Überhaupt leidet das Land am Gestade der Ostsee sehr durch den Andrang des hohen Wassers bey Nordostwinde. Das hohe Uferland des Dorfers Stein verliert seit einigen Jahren ansehnlich, es wird vom andringenden Wasser unterminirt, und so stürzen ganze Stücken Landes herab. Auch in das Dorf selbst drang in frühern Zeiten das Wasser, so daß die Anlegung einer Schleuse nöthig befunden ward, welche aber jetzt durchaus verfallen ist. Eben so verlieren jährlich die salzen Wiesen bey Wenddorf und das Weideland ansehnlich und der ganze Strich salzer Wiesen am Gestade der Ostsee ist häufig Überschwemmungen unterworfen, welche besonders, wenn sie in der Zeit der Heuärndte eintreten, der Probstey äußerst nachtheilig sind. Am meisten leidet das Dorf Wisch, besonders einzelne Hufen, von deren Ländereyen ein großer Theil Fluthland ist.
Zuweilen entsteht durch die Fluth beträchtlicher Schaden. Vor 22 Jahren, grade in der besten Heuärndte, entstand mitten in der Nacht eine so starke Fluth, daß alles Heu weggetrieben ward, und sehr viele Kühe und Schafe ertranken. Noch vor acht Jahren ertranken viele Schafe, und es vergeht fast kein Jahr, in dem nicht durch den starken Andrang des Wassers beym Nordostwinde Schade geschieht. Nicht selten sind bey einem solchen Sturme und der wilden Fluth hier Schiffe auf den Strad gerathen.
Der Sturm, der am 3ten und 4ten Sep. 1814 in der Ostsee herrschte, und der heftigste war, dessen die Jahrbücher seit 1675 erwähnen, äußerte auch seine nachtheilige Wirkungen für die Probstey, deren an der Küste beleg'ne Ländereyen eine Überschwemmung erlitten, die sowohl in Rücksicht auf ihren Umfang, als auf ihre Wirkungen zu der bedeutendsten gehört, denen diese Küste je ausgesetzt gewesen ist. Mehrere Ländereyen wurden überschwemmt, die man bisher nie dem Fluthlande der Probstey beizählte.
Schoenberger Strand
Um Schönberg herum waren nicht bloß alle Wiesen ganz überschwemmt, welche gewöhnlich theilweise der Fluth ausgesetzt sind, sondern auch mehreres Ackerland stad unter Wasser. Der Fußsteig nach dem Holm, selbst ein großer Theil des Fahrweges, mehrere Plugländereyen dieser Hufe, und andre Hufen der Warder, die Immenhorsten, die Koshagen, waren überschwemmt. Man schätzte das überschwemmte Land zwischen der Kuhbrücke und dem Stackendorfer Lande reichlich auf 1000 Tonnen.
An der Stackendorfer Küste ging das Wasser an mehreren Stellen über den hohen Strand. Zwischen der Scheide und der Stradkathe, wo ein hoher Strand über 32 Fuß breit ist, drang es so heftig durch den Strand, das der dahinter befindliche Grabenwall durchbrach.
Die ganze Gegend um das Dorf Wisch war eine Wasserfläche; das Wasser stand mitten im Dorfe, und an eineigen Häusern so hoch, daß es schon über die Schwelle zu treten im Begriff war.
Vom Barsbecker Lande waren mehr als 200 Tonnen überschwemmt, die nie vorher der Fluth ausgesetzt waren. Auch in das Dorf selbst drang das Wasser, und der Eintritt des salzen Wassers machte auf mehreren Hofstellen die Tränkstäten für das Vieh unbrauchbar.
Bey den Dörfern Wentdorf, Stein und Laboe erreichte das Wasser eine ganz ungewöhnliche Höhe.
So war diese Überschwemmung äußerst beträchtlich, sowohl durch ihren Umfang, wie durch den Schaden, den sie verursachte. Es ertranken an 200 Schafe und über 20 Stück Rindvieh. Mehreres Rindvieh war durch das lange Schwimmen theils erkrankt, theils sehr beschädigt. Hier würde der Schade um vieles größer geworden seyn, wenn die Fluth bey Nacht eingetreten wäre, und wenn nicht die kluge Entschlossenheit einzelner Eingesessenen der vorzüglich bedrohten Dörfer, die wirksamsten Rettungsmittel ergriffen, und mit Muth und unerwüdeter Thätigkeit durchgeführt hätten. Erst rettete das Vieh sich selbst auf die höchsten Plätze. Der Zufluchtsort ward aber bey der zunehmenden Fluth bald zu klein, und besonders vertrieb das Rindvieh die Schafe, welche dann bald von den Wellen mit fortgerissen wurden. Mit einem zu Wagen herbeygeführten Boot eilten nun einzelne entschloss'ne Männer zur Rettung des Viehes herbey. Ihre Versuche und Anstrengungen hatten den erwünschten Erfolg. Die Schafe wurden in's Boot aufgenommen, das Rindvieh mußte sich durch Schwimmen retten. Es scheint äußerst bemerkenswerth, wie das Vieh in solchen Fällen der Noth sein Verlangen nach dem Menschen, und sein Vertrauen auf ihn auf mannichfache Weise an den Tag legt. Es achtet auf jeden Wink, es folgt jedem Zuruf. Auf diese Weise wurde viel Vieh gerettet.
Auch wurde durch diese Überschwemmung vieles Ackerland für mehrere Jahre, als auch mehrere Brachkoppeln, wenigstens für ein Jahr unbrauchbar. Endlich aber wurden an mehreren Stellen kleinere und größere Stücke Landes abgerissen und weggetrieben. Das hohe Uferland zwischen Stein und Laboe ist von den anschlagenden Wellen so unterminirt, daß schon jetzt mehrere beträchtliche Stücke herabgestürzt sind, mehrere noch herabzustürzen drohen.
17.2.1962 - Die Nordsee kocht
Flutkatastrophe an der deutschen Nordseeküste. Mehrere Hundert Tote.
Die Flutwelle setzt auch Hamburg unter Wasser, hier brechen die untauglichen Deiche um 00:10 MEZ. Über 300 HamburgerInnen ertrinken in den Fluten. Betroffen ist vor allem der Stadtteil Wilhelmsburg. Bei der folgenden Rettungsaktion verdiente sich der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt seine ersten Sporen, der als Hamburger Senator des Innern in vorbildlicher Weise die Hilfsmaßnahmen leitet und alles zur Hilfe heranzieht, was er nur bekommen kann.
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