Kiel um 1820
Ein Reisebericht von J. Taillefas
Im Jahr 1817 reiste der Litauer J. Taillefas, von Norden kommend, durch die Gegend und warf ein sehr genaues Auge auf Land und Leute.
1. Düsternbrook | 2. Alt-, Vorstadt | 3. Schloss(garten) | 4. Uni | 5. Ostufer | 6. Umschlag | 7. Hafen
Ankunft
Die mit Gefahren verknüpfte Seereise war überstanden, ich im sichern Port und in einer der freundlichsten Gegenden Nord-Deutschlands. Die gemüthliche Stadt, bey der ich landete, mit ihrem Hafen, erweckte in mir das selt'ne Gefühl erlangter Ruhe und bot meinem Herzen einen wohlthuenden Genuß dar.
Ich stieg, in Begleitung beider nach Hamburg reisenden Kaufleute, in der Stadt Kopenhagen ab, einem in der Nähe des Hafens belegenen Gasthofe. Es war ein heit'rer Tag geworden, der zu einem Spaziergange einlud. Nach eingenommenem Mittagessen machte ich daher sogleich eine Excursion mit Herrn H., der auch zum erstenmal hier durchreißte, nach dem, den Kieler Einwohnern so theuern Düsternbrock.
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Spaziergang nach Düsternbrook
Mit Herrn H. Arm in Arm mischte ich mich unter die Menge der dahin Wandelnden beyderley Geschlechts. Vom Stadtthore ab geht der Weg durch Schattengänge längs dem Hafen hin. Man muß durch den königlichen Garten und die Höhenpflanzungen, unter denen sich eine treffliche Allee hoher Linden, auf die sogleich eine hohe Ulmen-Allee folgt, besonders auszeichnen.
Von diesen Höhen hat man eine schöne Aussicht nach dem belebten Hafen und dessen gegenseitige Ufer. Nach Düsternbrock führt eine neuangelegte Allee, die das künftige Geschlecht im Schatten hinzuführen verspricht. Der Wald und die Höhe von Düsternbrock sind unstreitig die schönste Parthie der ganzen Gegend.
Seine steilen Gestade dämmen sich den Brandungen der anprellenden Meereswogen entgegen und scheinen ihnen mit Kälte Trotz zu bieten; obgleich auch hier die immer wiederkehrenden Wellen schon manche Erdscholle abgerissen und dadurch den Pfad längs dem Königlichen Obstbaumgarten beynahe unwegsam gemacht haben.
Es ist eine, in jeder Hinsicht malerische Gegend, deren gehaltvoller Werth, selbst in ihrem inneren Wesen, kaum eine Schilderung leidet. Die innern Parthien, die Promenaden, die Erholungsplätze verraten Anmuth und Lieblichkeit. Hieher gehören die beyden Gasthöfe, von denen der eine in der Mitte des Holzes auf einer Anhöhe liegt (Anm.: vermutlich die bei Studenten beliebte Waldwirtschaft "Sanssouci", die 1865 abbrannte). Von hier aus ist durch die hohen Buchen eine Aussicht nach dem Hafen und der Steinbrücke, wo die Böte mit bunten Menschen anlanden, ausgehauen, die sehr hübsch ist (Anm.: Der Hafen befand sich damals zwischen Schloss und Bootshafen, die Obstbaumschule auf der Anhöhe gegenüber dem heutigen Hotel Maritim Bellevue, wo auch der Aussichtspunkt 'Bellevue' lag, während die gleichnamige Seebadeanstalt 1822 auf Höhe des Landeshauses entstand.).
Lincks von der Obstbaumschule und Düsternbrock, etwas weiter landeinwärts, liegt die in ihrer Art ausgezeichnete Baumschule der Forstacademie (Anm.: Forstbaumschule).[...] Allerliebste Plätze vereinen auch hier das utile dulci. Ein kleines Häuschen, außen und innen mit Hirschgeweihen geziert, dient dem Professor, Ritter Niemann, unter dessen Direction diese Schule steht, zum Erholungsorte. Auch hält er hier im Sommer seine Vorlesungen.
Auf dem Heimwege kehrten wir noch beym Gastwirth Brun ein, dessen geschmackvolles Haus vor dem Holze liegt, mit dem es aber durch Anlagen und Lustpfade verbunden ist. In den, das Haus umgebenden Lauben war noch alles lebendig. Die Lichter schimmerten freundlich durch das lachende Grün. Spät Abends kehrten wir, mit schönen Bildern erfüllt, nach Kiel zurück.
Kiel allgemein
Die Universität [...] so wie beträchtliche Handlung und Schiffahrt machen Kiel, nach Altona, zur bedeutendsten Stadt in Holstein. Die Lage an einem Meerbusen, welcher der Kieler Ford heißt und einen bequemen Hafen bildet, ist für die Handlung sehr günstig.
Die Stadt ist wohlgebaut; besonders schön sind die Holstenstraße und die Vorstadt; in beiden finden sich neue, schöngebaute Häuser. Die Stadt zählt gegen 7000 Einwohner. Schon die Einfahrt nach Kiel, sowohl von der Wasser- als Landseite ist sehr freundlich. Auf dieser sind die vielen Land- und Gartenhäuser zu bemerken, so wie eine Allee schöner Pappeln (Anm.: vermutlich die Hamburger Chaussee).[...]
Der Kirchen sind zwey in Kiel, die St. Nicolai Kirche und die ehemalige Klosterkirche, jetzt Garnisonskirche. An beiden stehen drey Prediger. Die St. Nicolai Kirche ist alt und gothischer Bauart; die neuangebrachten stüzzenden Pfeiler geben ihr ein befremdendes Ansehen. Die Kirche ist größtentheils gedrängt voll, der Gottesdienst feierlich und nicht ohne Salbung. [...]
Von Fabriken sind nur Hutfabriken bemerkenswerth. An Künstlern in jedem Fache ist kein Mangel. [...] In geselliger Rücksicht ist es von einer Stadt, wie Kiel, einem Sitze der Wissenschaften, nicht weniger zu vermuthen, daß sie ein, ihr entsprechendes Institut aufzuweisen habe. Die 'Harmonie' ist ein solches, mit einem sehr geräumigen Local, wovon das Lesezimmer jedoch eine Ausnahme macht, da es im Verhältniß zu den übrigen, sehr klein ist, auch keinen großen Aufwand von Büchern besitzt. [...]
Der Kirchhof, nahe bey der alten verfallnen St. Jürgenskirche, hat viele schöne Monumente, unter denen, seit 1818, das Denkmal, welches dem seel. verdienstvollen Professor Müller errichtet ist, vorzüglich die Aufmerksamkeit des Reisenden auf sich zieht. Der frische Seewind verweht den Moderduft. Überhaupt ist die Lage des Kirchhofs (Anm.: Jetzt der Parkplatz zwischen Bahnhof und Provinzial-Gebäude), fast am äußersten Ende des Hafens, sehr freundlich.
Ein Fußpfad führt über ihn und weiter, links das Meer, zur Seite Saatfelder, über einen langen hölzernen Steg nach dem Dorfe Garden, das, ehe Düsternbrock wirthlich eingerichtet war, sich eines noch weit größeren Besuches, als jetzt, erfreute. Aus einem Garten, dem Gasthause am Hafen gegenüber, hat man eine herrliche Aussicht, welche, wenn man sich auf die nicht weit entfernte, am Saum des Buchenforstes beleg'ne Höhe Viburg begiebt, seinen vollständigen Werth erhält. Man sieht Kiel, den Hafen, die Umgebungen, welche Aussicht von mehreren Reisenden mit dem Golf von Neapel verglichen ist.
Unfern hiervon liegt Krusenrott im Thale, ein liebliches, ländliches Wirtshaus. Die beiden Krankenhäuser, das Friedrichshospital in der flämischen Straße und das Stadt-Krankenhaus bey dem botanischen Garten (Anm.: an der Prüne) stehen beide unter der Leitung berühmter und achtungswerther Professoren. Das Muhliussche Waisenhaus verdient nicht übergangen zu werden: mancher Verwaißte fand hier Zuflucht - die Waisen werden gut gehalten.
Schloss(garten)
Das Schloß ist alt; seit großfürstlichen Zeiten (Anm.: 1742 - 1761; Der holsteinische Herzog Peter wurde russischer Zar (Peter III.), seine Gemahlin war Katharina II.) wurde es nur zuweilen, bey längeren Besuchen von den Königlichen Herrschaften bewohnt. Die Bürger und Studenten erhalten oft die Erlaubniß, hier ihre Bälle und Konzerte geben zu dürfen. In einem Theile des Schlosses ist die Universitäts-Bibliothek aufgestellt, die manche schätzbare Werke enthält. [...] Die Bibliothek ist Mittwochs und Sonnabends von 2 bis 4 Uhr geöffnet. Der Fond zu ihrer Vergrößerung ist wohl kaum hinlänglich. Doch sorgt Professor Cordes, den auch an Kenntniß der Litteratur Niemand leicht erreichen wird, sehr für ihren jährlichen Zuwachs.
Der Thurm auf der Vorderseite wurde sonst zu astronomischen Beobachtungen benutzt, aber die Baufälligkeit desselben räth jetzt, lieber auf platter Erde zu bleiben. Wer von Kopenhagen kommt, und das Observatorium dort auf dem runden Thurm gesehen hat, vermißt es hier um so fühlbarer; da überdieß ein geschickter Professor der Astronomie in Kiel angestellt ist, so ist zu bedauern, daß Theorie und Praxis nicht verbunden werden kann.
Die eine Seite des Schlosses nimmt die Schloßkirche ein, die klein und einfach, aber sehr würdevoll gebaut ist. Jetzt ist sie den Vorträgen der Mitglieder des homiletischen Seminar's eingeräumt, die an jedem Sonntag Morgen, die Zeit der Ferien über ausgenommen, gehalten werden. [...] Außerdem ist unten im Schlosse eine Kapelle, in der, unter der großfürstlichen Regierung, russischer Gottesdienst gehalten wurde, zu welchem Behufe immer ein Pope in Kiel sich aufhielt.
Der Schloßgarten ist im alten, französichem Geschmack - aber die Hecken gewähren Schutz gegen die rauhen Ostwinde. Er steht den Kielern zu jeder Tageszeit offen. An jedem heitern Tage benutzet ihn die schöne Welt, um sich zu ergehen. Als Beweis des ästhetischen Gefühls der Kieler Einwohner möge der Nachtigallen-Wächter im Schloßgarten gelten, der, während der Nachtigallenzeit gehalten wird, um allen Frevel der Störenfriede und bösen Buben zu wehren. Die Nachtigallen erkennen es mit Danck: - sie mehren sich sehr und ergötzen in lauen Nächten das Ohr des Horchenden.
Brunswyck
An die Landseite des Schloßgartens lehnt sich der Flecken Brunswyck, der gleichsam eine Vorstadt von Kiel bildet (Anm.: Als erster Stadtteil eingemeindet 1869). Er umschließt den sogenannten kleinen Kiel, ein Gewässer. Viele Häuser haben ein gefälliges Äußere. Mehrere Bürger haben hier, besonders längs dem kleinen Kiel, ihre Gärten und Gartenhäuser.
Viele Studenten bewohnen den Flecken, um hier Stadt und Land zu verbinden. Die Wohnung eines Landmanns auf einer kleinen Anhöhe, wird oft im Sommer besucht, um die schöne holsteinische Milch, die frisch und geronnen zu haben ist, hier zu genießen. An warmen Abenden findet man unter der alten Linde die kleinen Tische freundlich vertheilt. Brunswyck, wie das Dorf Garden, sind die Gemüsegärten der Kieler.
Universität
Das Universitäts-Gebäude, seitwärts vor dem Schlosse (Anm.: 1820 noch in der Kattenstraße, die von der Burgstraße zum Hafen führte), enthält zwey Auditorien, das Museum, die Anatomie und den Konsistoriensaal. Das Museum hat durch einige bedeutende Schenckungen sehr gewonnen. Die Anatomie besitzt viele geschickte Präparate. Dem Mangel eines Catalogs dieser Sammlung ist kürzlich durch einen jungen Doctor Seidel, der sie statt der Dissertation anfertigte, abgeholfen.
Die Zahl der Studirenden beträgt nicht leicht über 200, gewöhnlich nur 150, unter denen wenige Ausländer sind. Es herrscht ein sehr gebildeter Ton unter ihnen, und ein lobenswerthes, gegenseitig gutes Verhältniß zwischen den Studirenden, den Bürgern, und dem in Kiel in Garnison liegenden Militair.
Die Aufzüge der Studirenden sind geschmackvoll; ihre Uniform ist blau und weiß, mit goldner Stickerey. Ihre Hüte und Mützen ziert eine lillaweiße Kokarde, die ihnen die Kaiserin Catharina von Rußland, ruhmvollen Andenkens, für das, durch Misbrauch aufgehobene Recht, Degen für gewöhnlich an der Seite zu tragen, verliehen haben soll.
Bey besonders festlichen Gelegenheiten, vorzüglich, wenn sie zu Ehren des Königs oder der Universität angestellt werden, dürfen sie, nach einem alten Vorrechte, während sieben Tagen das königliche Feldzeichen tragen. Die Anführer erlangen für die kurze Zeit eine, den Generalen im Militair zuständige Ehrenbezeugung.
Die Feier der Neujahrsnacht soll auf jeden, Gefühlvollen einen tiefen Eindruck machen. Kurz vor Mitternacht versammeln sich die Studirenden im feierlichen Aufzuge auf dem Markte - die Fackeln schließen den Kreis - in die Mitte tritt ein auserlesenes, geübtes Sänger-Chor. So wie der letzte Schlag verhallt ist, beginnt, von zwey Musik-Chören begleitet, das schöne Lied von Voß: "Des Jahres letzte Stunde usw." Die Menschenmenge, die sich zahllos eingefunden hat, verstummt. Dieser Gesang beym Scheiden des Jahrs, einem schon an sich feierlichen Augenblicke, ergreift das Gemüth wunderbar.
Nach Beendigung des Liedes beginnen die Vivats. Alsdann beginnen die Umzüge auf den Straßen; vor den Wohnungen der beliebten Professoren wird ein Hoch ausgebracht und die Chapeaux d'Honneur bringen ihre Wünsche, im Namen der Studirenden für die 365 Tage den geliebten Lehrern dar. Mehrere der Professoren halten bei dieser Gelegenheit kurze, kräftige Reden.
Die Anzahl der Professoren ist beträchtlich; mehrere berühmte Gelehrte Deutschland's, ein Thibaut, Feuerbach, Weber usw. haben hier gelehrt [...] Mehrere Stipendia sind für arme Studirende. Theilnehmer am Convict können sie nur durch ein rühmlich bestand'nes Examen werden.
Die Collegia werden im Ganzen gut besucht, wie viele Zerstreuungen auch der Ort zu jeder Jahreszeit darbietet. Darunter gehören besonders die vielen Vogelschießen. Das Schießen der großen Schützen-Gilde (Anm.: Die Große Grüne Schützengilde veranstaltete ihre Schießen im jetzigen Schützenpark) ist sehr alt; eine Schützen-Rolle vom Jahre 1412 nennt es schon eine alte Gewohnheit. Allein zu diesen gesellen sich so viele neue, öffentliche und private, daß kein Sommermonat ohne einige Vogel-, Hirsch- oder Scheiben-Schießen hingeht.
Ostufer
Vom Dorfe Garden geht der Weg längs dem Hafen nach dem Sandkruge, dem gewöhnlichen Überfahrtsorte von dieser Seite nach Kiel. Vom weißen Berge, in dessen Innern, nach einer alten Sage, Gnomen hausen, die in ähnlichem Aufzuge, wie in Goethe's Hochzeitliede, vor Alters zum Vorschein gekommen seyn sollen, ist Kiel oft abgezeichnet. Der nächste Ort am Strande, ist das Fischerdorf Ellerbeck, der von Kähnen wimmelt, die alle dem rüstigen Gewerbe nachgehen.
Von hier geht der Fußpfad über die Hügel, die immer neue Aussichten darbieten, nach Neumühlen, das, von Hügeln umgeben, an der Sventine eine wunderschöne Lage hat. Sey es mir erlaubt, eh' ich weiter die Umgebungen des Hafens beschreibe, von hier den Reisenden längs der Sventine auf einem herrlichen Wege nach der vielgepries'nen Rastorfer Papiermühle zu führen.
Diese Mühle hat durchaus das Ansehen einer Süd-Deutschen Gegend. Sie liegt in einem Kessel, rings mit waldigten Höhen umgeben, durch welche die Sventine schäumend sich stürzt. [...] Die Papierfabrik ist sehr der Mühe werth, gekannt zu werden. Kein Reisender verläßt diesen Ort, ohne den freundlichsten Eindruck und die froheste Rückerinnerung.
Und nun von Neumühlen weiter nach Schrevenborn. Das Gut liegt landeinwärts, aber ein kleiner Tempel am Strande in der Nähe von gastlichen Fischerwohnungen, fesselt den Wandrer zu sehr an die herrliche Aussicht nach Kiel, Düsternbrock und hinaus in das unermeßliche Meer, als daß er vorbey begehrte. Die Kieler wählen diesen Ort oft zu idyllischen Festen [...].
Der Kieler Umschlag
Unter den Jahrmärkten ist der Umschlag bekannt und berühmt. Das Wesentliche desselben besteht in der, auf die acht Tage nach dem Fest der heiligen drei Könige angesetzten Zahlungszeit, in den sogenannten Octavis trium regum. Der Adel und eine Menge Fremde von nah und fern füllen alsdann die Stadt. Fünf öffentliche Pharobänke, die Strafgeld, das den Armen zufällt, bezahlen, sind dann in den verschiedenen Gasthäusern vertheilt.
Eine Schauspieler-Gesellschaft, die für diese Zeit hier spielt, giebt Spectakelstücke und große Tragödien, Opern, Familienschauspiele und Kotzebuesche Schauspiele des guten Geschmacks, besonders aus seinen Almanachen, alles bunt durcheinander, nach besten Kräften, wofür denn auch applaudirt und herausgerufen, und wiederum, wenn die Aufführung nicht gefällt, gezischt und gepfiffen wird.
Zuweilen spielen auch fremde Schauspieler hier Gastrollen, die gewiß über Mangel an gastfreundschaftlicher Aufnahme nicht klagen dürfen. Denn wo eine Universität und ein so bedeutender Verein Gelehrter ist, darf jeder Künstler sich des gerechten Beifalls erfreuen.
Des Geldes ist im Umschlage oft eine große Menge vorhanden - viele wichtige Käufe und Verkäufe werden geschlossen. Dragoner sichern in dieser Zeit die Landstraßen. Selten hört man von wichtigen Diebstählen und dann werden die Thäter auch fast immer aufgespürt.
Der Kieler Hafen
Der Kieler Hafen gewährt sowohl durch seine reizenden, mannichfaltigen Umgebungen, wie durch das rege Leben selbst, das auf ihm statt findet, den Reisenden einen unaussprechlichen Genuß. Des Hafens Ende begränzt ein Theil von Kiel mit seinen großen Packhäusern, der Schiffswerfte, der Zollbrücke, der Holstenbrücke, durch die der kleine Kiel in den Hafen strömt, einer Reihe Häuser der langen Vorstadt, der Zuckersiederey, einem großen, weitläuftigem Gebäude und der Ziegelbrennerey (Anm.: am Ziegelteich).
Jede Jahreszeit beut neue Scenen. Deckt der Winter ihn mit seiner Eisrinde, so ergötzen uns die Menge der kleinen Schlitten, die mit der Pike fortgeschoben werden; die Eisböte mit schwellenden Segeln; die größeren Schlitten, mit dem Glockenbehang'nen Rosse, das ein bunter Federbusch ziert; die Schlittschuhlaufenden im bunten Gedränge, in künstlichen Bewegungen und Schwenkungen. Man soll nichts Lieblicheres sehen können, als an einem heitern Wintertage diese vielfachen Gruppen.
Doch ein andres Geschlecht erscheint. Der Frühling naht. "Schiffern und Fischern gehört wieder die wallende Flut". Die lang' eingekerkerten Schiffe zieh'n, wie die Zugvögel, in andere Länder. Weiße Segel der Kommenden und Gehenden bedecken die Fläche. Die Ellerbecker Kähne langen wieder an jedem Morgen mit ihrer Beute bey der Stadt an. Die Sandböte kehren zurück, und der weiße, reinliche Streusand thürmt sich in langen Reihen am Walle auf.
Allein schöner noch ist der Sommer. Die milde Luft lockt die Bewohner nach den nahgeleg'nen Gegenden. Böte, mit bunten Menschen angefüllt, eilen herüber, hinüber. An warmen Abenden fehlen nur die Gondeln, um sich in Italien zu wähnen. Feuerwerke, Gesang, Musik sind nicht selten auf dem Wasser. Zuweilen vereinen sich die Musensöhne zu solchen Wasserparthien; viele Böte ziehen geschaart neben einander; die Fackeln leuchten wieder aus der duncklen Flut; Musikchöre unterstüzzen die trefflichen Sänger. Die Alleen sind mit Menschen bedeckt - das Ganze gewährt einen erhebenden Genuß.
Im Herbste nimmt das Wogen und Treiben auf dem Hafen freilich ab; aber auch die Herbststürme bieten ein schönes Bild des Meeres dar. Die weißen schäumenden Wellen schlagen gewaltsam über das Ufer; die Wasser-Allee ist öfters von ihnen bedeckt. Die Schiffe suchen den Hafen; die letzten eilen, mit Korn und andern holsteinischen Producten beladen, vor dem einbrechenden Winter davon.
Dänische, Englische, Schwedische, Holländische, Amerikanische, Ostindische Schiffe besuchen den Kieler Hafen. Wenn bey Festlichkeiten all' die bunten Flaggen wehen, so giebt es einen schönen Anblick. Vom Stapel laufen oft, unter dem Zuruf der wogenden Menge, große Schiffe ab - häufig mehrere im Jahre. Nicht ohne Interesse, ja, man mögte sagen, Wehmuth, begleitet der Zuschauer die neuen Gebäude in's unbekannte, sturmerfüllte Meer.
Photos
Der Kieler Hafen um 1895 - Photoglob Zürich
Die alte Universität im Schlossgarten.
Schloss und Seegarten um 1895