Heart

Achtung, Valentinstag!


Von Ellen Scheel


Es war einmal und ist noch gar nicht lange her, da lebte ein Mann zufrieden in seiner Lieblingsstadt Meido, nah an der Kieler Förde gelegen. Geboren wurde er vor 50 Jahren in Köln, und sein Name war Hogu (Abkürzung von Holger-Gunnar, ähm ...). Hauptberuflich als Verwalter der Stadt tätig, machte er einen sehr guten Job. Gern kümmerte er sich um alle Angelegenheiten und Streitigkeiten, die ihm vorgetragen wurden, und er war, bis weit über die Landesgrenzen, als weiser Verhandlungspartner geschätzt und bekannt. Jeder Kaufmann, der gute Geschäfte machen wollte, stellte sich bei ihm vor, und Hogu holte für beide Parteien das weitestmögliche an Profit heraus. So, war seine Meinung, werden Geschäfte gemacht und nicht anders. Diese vorurteilsfreie Arbeitsweise kam selbstverständlich auch der Stadt zugute. Sie gedieh prächtig und blühte auf, wie ein Schneeglöckchen an einem Vorfrühlingstag.


Sein Privatleben verlief genau so gut. Er hatte viele gute, alte Freunde und jeden Tag kamen neue dazu. Hogu lachte und photographierte gern und drum war er Mitglied in einer Karnevalsgesellschaft. Auf diesen festlichen Veranstaltungen standen ihm die unterschiedlichsten Menschen Modell (ob jung oder alt), und seine Bilder waren sehr beliebt ... doch irgendwie fehlte ihm immer noch die Frau fürs Leben, mit der er alle schönen Erlebnisse teilen konnte.


Er stellte keine hohen Ansprüche: Intelligent und liebevoll sollte sie sein, stark an seiner Seite stehen und sein Herz zum Hüpfen bringen. Kinderlieb und spontan. Reiselustig und treu. Augenfarbe egal. (Viel, viel Glück Hogu)


Es begann an einem Tag im Februar. In der Nacht hatte es geschneit und am Morgen waren die Einwohner (einmal mehr) von ihrer hübschen Stadt begeistert. Der Schnee glitzerte auf den Nasenspitzen der Menschen, den Dächern, den Bäumen und Straßen. Alles wirkte so sauber und klar. Die Kinder bekamen schulfrei und sofort holten sie ihre Schlitten heraus, provozierten Schneeballschlachten. Wunderschöne Schneemänner, sowie Schneefrauen erblickten das Licht der Welt. Hogu nannte ihn zufrieden den Puderzuckertag. Nicht ahnend, dass der Schein ihn trügte.


An genau diesem Morgen traf Spediteur und Händler Gustav von einer Reise nach Italien in der Stadt ein. Die Ladung seines LKWs bestand aus allen Köstlichkeiten des sonnenverwöhnten Herkunftslandes, vor allem aus Gewürzen. Zum Teil bestellt, zum Teil frei zum Verkauf wurden die Waren sofort entladen und zum Marktplatz gebracht. Der Händler Gustav war ein alter Geschäftspartner von Hogu, und so machte er sich auf den Weg, um ihn angemessen zu begrüßen. Es war immer sehr interessant, mit Gustav zu reden und Neuigkeiten aus der weiten Welt zu erfahren. Diesmal hatte der Kaufmann ein neues Gewürz dabei. Der Verkaufsschlager schlechthin. Teuer, aber da Geld für die Bewohner der Stadt keine Rolle spielte, kauften und benutzten sie es sofort. Kurz als Safranfaden beschrieben hatte das Gewürz die Eigenschaft jedes Gericht, ob süß oder salzig, in eine Geschmacksoase zu verwandeln. Einen prall gefüllten Beutel bekam Hogu zur Probe geschenkt, er kochte jedoch nur selten und so landete das Gewürz zu Hause in der Kiste, die mit "Geschenke für die Familie" beschriftet war. Am Ende des prächtigen Wintertages versank die Stadt erschöpft aber zufrieden in einen erholsamen Schlaf. Alles war gut ... oder etwa nicht?


Die nächsten drei Tage geschah nicht viel Neues. Alle Einwohner der Stadt gingen ihrem Tagewerk nach, und Gustav reiste mit einem neu gefüllten Lagerraum in Richtung Heimat ab. Die Menschen freuten sich auf einen entspannten Feierabend und auf ein Essen mit dem ach so tollen Gewürz, das im Mund eine Geschmacksexplosion erzeugte, die kaum zu beschreiben war. Alle, bis auf ein paar wenige und Hogu. Er teilte sich sein Essen immer mit seinem Mitbewohner, einem Studenten. Dieser füllte morgens ein hohes Tongefäß mit Lebensmitteln der Saison und gab diese dann im Gemeinschaftsbadehaus ab. In der heißen Asche des Badeofens köchelte das Essen (eingebettet in Rapsöl und Knoblauch) den ganzen Tag solide vor sich hin. Am Feierabend wieder abgeholt, konnten die Männer dann in ihrer gemütlichen, sauberen Küche, das zarteste Fleisch und das beste Gemüse der Welt essen (...frei von zusätzlichen Gewürzen und Konservierungsstoffen).


Nun, am 12. Februar begann ein sonniger Rosenmontag. Hogu hatte es sich zur Aufgabe gemacht, in dem verträumten Städtchen weit weit weg von den Karnevalshochburgen einen Rosenmontagszug zu organisieren. Seit zehn Jahren setzte er diese Idee, die erst belächelt und versuchsweise ins Leben gerufen wurde, hartnäckig um. Als echter Kölsche Jung war das eine Herzensangelegenheit für ihn. Fasching war in diesem Teil der Erde nicht unbedingt angesagt (...das geilste am Norden ist die Stille an Fasching), doch irgendwie schaffte er es immer, dass ein paar bunt geschmückte Wagen, Gardemädchen und Spielmannszüge mitmachten. In diesem Jahr erwartete die Stadt viele Zuschauer, denn es hatte sich in der Gegend herumgesprochen, dass die Erbsensuppe, die im Festzelt angeboten wurde, geschmacklich unschlagbar war. Als die Begrüßungsreden gehalten wurden, der Glühwein heiß und die Stimmung super war, sah Hogu sie: Sofort verschlug es ihm die Sprache, seine Beine fingen an zu zittern, und alle Worte waren vergessen.


Eine Elfe mit Blumen in den Haaren schaute ihm direkt in die Augen und lächelte ihm zu. Malve, so ihr Name, gehörte zu befreundeten Karnevalisten aus Marne. Im Gegensatz zu den verkleideten Menschen, die für drei Tage in eine andere Rolle schlüpften, konnte sie sich als wirkliche Fee endlich einmal so auf der Straße zeigen, wie sie wirklich war (hübsch und selbstbewusst eben). Die pinke Zauberfee brauchte etwas Zerstreuung. Etwas lief schief im Märchenwald und Malve glaubte, dass es an den den dort neu erworbenen Handys lag. Die sehr beliebten Katzenvideos störten die dort vorhandene Zauberenergie so sehr, dass schwere Fehler beim Zaubern auftraten und nichts mehr so war wie gewünscht. Sie brauchte etwas Zeit, um die dortigen Probleme wieder in den Griff zu bekommen, doch sie arbeitete daran.


Hogu jedoch wünschte allen Anwesenden noch einen tollen Tag, und dann verlor keine Zeit um sich dieser entzückenden Frau vorzustellen. Er durfte auf ihrem Umzugswagen mitfahren, und dort hielt er sich immer in ihrer unmittelbaren Nähe auf. Einfach so. Sie plauderten über ihr Leben und Hobbies und verbrachten ein paar schöne Stunden zusammen. Dass Malve eine wirkliche Fee war, konnte er nicht glauben - und wenn auch, es störte ihn nicht, denn nobody is perfekt, oder?


Am 14. Februar ist bekanntlich Valentinstag (Tag der Liebenden). Meine Mutter sagte immer: "Dieser Tag mitten im Winter wurden von den Blumenhändlern und Süßwarenproduzenten erfunden. Ein genialer Schachzug um im Saisontief Umsätze zu machen. Heute wartet jede Frau darauf,von ihrem Geliebte eine kleine Aufmerksamkeit zu bekommen. Liebe Männer, ihr könnt den Nikolaus, Verlobungs-, Geburts- oder Jahrestag vergessen, aber Vorsicht beim Valentinstag. Keine moderne Frau erwartet teure Blumen, Perlen oder Süßigkeiten, die kann sie sich jederzeit selber kaufen. Doch eine kleine Aufmerksamkeit, ein rotes Papierherz am Fenster, eine handschriftliches Gedicht auf dem Küchentisch, ein Kinobesuch oder ein Schneemann vor der Tür, zaubert ein Lächeln auf das Gesicht jeder Traumfrau und zeigt ihr das sie noch nicht zur Wohnungseinrichtung gehört. Denkt einmal darüber nach.


Auf der Suche nach einem passendem Geschenk für Malve fiel unserm Held auf, dass sich die Stadt irgendwie verändert hatte. Seine Sekretärin gab keine kessen Antworten mehr. Die Bäckersfrau versuchte nicht mehr ihn zu verkuppeln, und die Kinder zupften nicht mehr frech an seinem Jackett. In der Stadt herrschte Gleichgültigkeit und eine ungesunde Ruhe. Es war an der Zeit das allseits beliebte Frühlingsfest zu planen, doch die sonst so fleißigen Einwohner der Stadt lehnten ihre Hilfe bei der Umsetzung dieses Festes ab, und die Kinder, sonst zu jeder Schandtat bereit, waren auch nicht zu begeistern. Er machte sich Sorgen. Dieses Verhalten war sehr ungewöhnlich und er begann sich die Leute genauer anzuschauen. Ihm fiel auf, dass die Augen ihren Glanz verloren hatten. Kein Lächeln zeigte sich in ihren Gesichtern. Die Bewegungen wirkten träge und alles spontane war aus ihrem Leben verschwunden. Hogu bekam Angst . "Was ist geschehen?" fragte er sich. Doch auf eine Antwort kam er nicht. Malve bekam ihr Valentinspräsent per Post zugestellt. Toll, eine CD mit deutschen Partysongs, oder auch "Schlimmer geht's nimmer". Sie bedankte sich artig am Telefon, doch dann bekam sie den Satz "Du bist meine absolute Traumfrau, und wenn es Dich in lieb geben würde, wärst Du perfekt" zu hören und sie wusste sofort, dass etwas nicht stimmte. "Hey Hogu, geht es Dir nicht gut?" fragte sie besorgt. "Ich bin eine Fee, ich kann dir helfen" und so erzählte er ihr seine Sorgen und am Ende des Gespräches hatte Malve die rettende Idee:


Flowers


In Meido lebte der uralte, fast blinde Heilpraktiker Nomas (ein langjähriger Freund von Malve). Ihn zog Hogu zu Rate, und Nomas hatte einen Verdacht. Er kannte diese Anzeichen. Damals als er noch ein Jüngling war, unterlief ihm ein Fehler beim Trocknen seiner selbst gesammelten Heilkräuter. Ein fast unsichtbarer und geschmackloser Schimmelpilz entstand und wirkte, in Verbindung mit Wärme und Feuchtigkeit, wie eine starke Droge. Eine Traumwelt entstand in seinem Gehirn und alles Leben verließ damals seinen Körper. Eine Elfe mit Namen Malve (täterättete), fand und rettete ihn vor dem sicheren Tod. Eines war klar: Alle betroffenen Bürger der Stadt mussten sofort auf das Würzen ihrer Speisen verzichten. Sofortiger Entzug war lebensrettend und Sport wäre der Schlüssel zum Erfolg. "Oh weh, Sport!" sagte Hogu.


Sofort trommelte er alle nicht berauschten Menschen der Stadt zusammen und sie gingen in jedes Haus der Stadt. Es ist sehr anstrengend und kostet Nerven, den Familien ihr Lieblingsgewürz wieder fortzunehmen, doch es gelang. Hogu lies kostenlose, für jeden nutzbare, Sportgeräte auf den Straßen aufbauen und plante Sportveranstaltungen. So waren in kürzester Zeit alle Einwohner der Stadt wieder clean. Mission erfüllt. Ende im Gelände und aus die Maus ...


... doch wie ging es Hogu? Er war nicht mehr 25 Jahre alt und die Anstrengungen seines Lebens, die Sehnsucht nach Malve und der Stress der letzten Tage, mit Engelszungen auf die Bevölkerung der Stadt einzureden, führten zu einer Krankheit, die kein Arzt heilen konnte. Burnout. Nun wollte er nur noch schlafen, seine Traurigkeit war grenzenlos und selbst die herbeigerufenen Ärzte konnten ihm nicht helfen. Da kam seine Mutter auf die Idee, das ein Ortswechsel und neue Eindrücke doch wahre Wunder bewirken könnten. Hogu lies nicht lange bitten, und er reiste nach Marne um Malve zu besuchen.


Hier in ihrem Märchenwald war ein Terminkalender gänzlich überflüssig, und die Erholung begann. Der Zufall wollte es, dass Liebesgott Amor zur gleichen Zeit anwesend war. Er sah die zwei an und schoss einen Pfeil, der sein Ziel nicht verfehlte. Nun gab es kein Zurück mehr, die Liebe war greifbar nah, und das war der Wendepunkt in beider Leben. Hogu dachte nur noch an sie. Blickte er in ihre Augen und sie in die Seinen, blieb die Zeit für beide stehen. Die Traurigkeit suchte sich ein neues Opfer, und bald war Hogu wieder genesen. Die Handyprobleme des Märchenwaldes waren im Handumdrehen gemeinsam gelöst, und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute ... Ende im Gelände und aus die Maus.


... doch was geschah eigentlich mit Hogus Gewürzbeutel? Ganz einfach: Als Gustav zur Mittsommernacht wieder in der Stadt war und hörte, was seine Kräuter angerichtet hatten, war es ihm sehr peinlich. Den verwahrten Gewürzbeutel gab Hogu ihm dankend zurück. Das Sommerfeuer wurde gerade unter Applaus entzündet, als Gustav plötzlich unerwartet auf das Rednerpodest stieg und sich bei allen Einwohnern der Stadt entschuldigte. Ein Wassereinbruch im Lkw hätte die Ware heimlich und von ihm unbemerkt verdorben. Die Einwohner der Stadt nahmen seine Entschuldigung an und verzichteten großzügig auf einen Schadenersatz. Glücklich über dieses Ende warf er demonstrativ den Beutel in das Partyfeuer, und sofort stieg ein sehr angenehm duftender Rauch aus den Flammen auf. Der anwesende Druide Nomas lächelte still in sich hinein, auch dieser Geruch war ihm bekannt. Nun wurde ausgiebig getanzt und gelacht, und nie wieder wurden in einer lauwarmen Sommernacht so viele bezaubernde Glückskinder gezeugt. Nur Druide Nomas wusste warum.


... nun die Moral von der Geschichte: Hogu ist ein weiser, geduldiger Helfer in der Not, aber auch er braucht eine liebenswerte Freundin, die ihn unterstützt und ihn liebt, so wie er ist ... Feen sterben nicht, doch die Beiden wollen ja nur jeden kommenden Tag zusammen genießen.


--- ENDE ---



Ellen Scheel


Alle Rechte vorbehalten - (C) by Ellen Scheel 2017



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