Regina Hansen
- Deichbrüche -
Zehn Gedichte aus dem Jahr 1991
So wie die Weite des Horizonts
die Unendlichkeit der Seele
uns gefangen hält,
dort, wo das Unfassbare
in Glauben übergeht
stehen wir erst am Anfang
- Unverstanden -
bleiben meine Tränen
die, seit Tagen aufgestaut
irgendwann den Bach
hinunter müssen
und doch
in vollgeschnäuzten Taschentüchern
vertrocknen, ohne von ihrer
Daseinsberechtigung
Gebrauch gemacht zu haben.
Zitronengelbe Sonne lässt
das jaderauschende Wasser perlen.
Lerchen stehen singend über mir,
heute ist alles zuständig
für mich allein
warmer Dünenwind tätschelt mein Haar
pustet Drucksteine weg.
Glück ist nie von Dauer.
- Fremdbesetzung -
Du läufst durch meinen Körper
spazierst freudig auf und ab
schwimmst durch Adern
bestitzt meinen Kopf
belegst meinen Bauch
steuerst meine Gedanken
und ich bin machtlos.
Woher nimmst Du Dir dieses Recht?
- Völlegefühl -
Immer, wenn ich voll von Dir bin
oft, wenn ich glaube
wieder einmal alles Errungene
über Bord werfen zu müssen
Deinetwegen,
dann,
geht mir ein Licht auf
Gott sei Dank!
denn, wie komme ich auf den Gedanken,
Dich besitzen zu wollen?
- Seelenverwandt -
Gedankenlesen
mittlerweile Symbiosegefühle
dann wieder Grenzkontrolle
für beide.
Mehr nicht.
- Hintergrundlos -
verschaffen sich
Phantasiegedanken Raum
versperren den Überblick
für Gewesenes.
Wahres bleibt hinter Mauern
Fenster geben bei Sonne Einblick
scheibchenweise
Alles im Schattendasein
Vieles im Dunkeln
... Hände suchen Nähe.
- Abbruchreif? -
Der kalte Zugwind
weht durch unsere Beziehungsruine
lässt unser haltgebendes
Mauerwerk erschüttern
drückt Regenwasserbäche auf
uns nieder - da stehen wir
und haben dies Abbruchhaus betreten
neugierig stufenweise
und oft zu schnell
gewusst von der Baufälligkeit
gesehen das Chaos
geahnt die Kälte
und immer wieder
vom Flug zwischen Himmel
und Erde geträumt.
- Traumland -
Besetztes Traumland
aus Schokolade
Tänzelnde Masken
stellen sich als die unsrigen heraus.
bizarres Umfeld als Wirkungskreis
für Berührungen voller Hingabe
Versprechungen aus dem Herzen
Endlosgefühle als Puppentheater.
(ohne Titel)
Silbriger Faden gewoben
Spinnennetz glitzernd
auf Beute lauernd
diese Silberspinne!
Angriffsheischend
die Position innehaltend
klebriges, zitterndes Netz
gefangen!
Alle Rechte vorbehalten - (C) 2000 by Regina Hansen
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