Der Kater, der nicht sterben wollte
Für Taiga
Es war einmal ein Kater. Der lebte in einem schönen Zuhause. Liebevoll ging es dort zu, und jeder vertraute dem Anderen blind. Gab es einmal Probleme wurde der Familienrat einberufen und eine super Lösung gefunden (Das Leben ist wie eine große Welle, und wir schaffen das schon!). Spaß und Freude gab es auch in schlechteren Zeiten im Überfluss, und Niemand konnte dieses vertraute und respektvolle Miteinander zerstören. Kater Taiga war mit seinem Charme der heimliche Herr im Haus. Er konnte aus vielen verschiedenen Autos das von seinem Frauchen heraushören, und während sie noch einparkte, saß er längst an der Haustür um sie zu begrüßen.
Die Zeiten verändern sich und das ist auch gut so. Neue Erfindungen und ein modernes Leben wird von jedem gewünscht. Elexa quarkt als Assistentin von Jedermann durch die Wohnräume und spioniert wo sie nur kann. Mähroboter fahren selbstständig durch den Garten und das moderne Auto findet zentimeter genau einen Weg in die kleinste Parklücke. Viel zu viele Lebensmittel werden extra zweimal eingepackt und dann achtlos entsorgt landen die Verpackungen als Verschmutzung im Meer. Immer wieder stellt sich die Frage was will ich wirklich mit meinem Leben anfangen. Reicht mir ein Leben als Couchpotato, oder erobere ich die Welt? Nehme ich Rückschläge und Verneinungen hin, und stärke ich dadurch mein Selbstvertrauen, oder reicht mir ein Leben als Ja-Sager, der seinen Teelöffel in jedes Honigtöpfchen steckt um seinen Gesprächspartner damit den Mund einzuschmieren um noch ein paar Taler mehr zu verdienen, die dann für Luxusspielkram ausgegeben wird?
In unserer kleinen Familie war das Temperament der Mutter Ronda das Problem. Sie wandelte als selbstbewusste Frau durch die Welt und sagte stets, auch unerwünscht ihre Meinung. Gern legte sie sich mit Matschos an, die mit laufendem Motor auf Mutter-Kind-Parkplätzen auf einen Kollegen warteten oder diesen für ihre großen Autos als Stellplatz für die Flaschenabgabe nutzten. Auch mit Parfumflaschenöffner im Supermarkt, Schuh- und Müllabsteller im Treppenhaus hatte sie viel Spaß. So liebevoll und mutig ihr Verhalten auch war, es gab immer eine zweite Seite, denn eigentlich blieb entstandene Aufregung über Stunden erhalten und schwächte ihr Immunsystem, und es ging sie auch absolut nicht an.
Kater Taiga jedoch genoss die Fernsehabende und die Parties, wo er immer nicht nur dabei, sondern auch mittendrin war. Niemand konnte ihn von seinem Platz auf dem Sofa vertreiben, wenn Besuch da war. So kannten ihn alle und auf irgendeine Art und Weise schlich er sich in jedes Herz. Am liebsten sprang er unerwartet beim Essen auf den Stuhl eines Gastes um ihn mitzuteilen das er auch ein großes Stück Ente abhaben wollte. Das er dann auch bekam. Er ging gern mit seinem Frauchen spazieren und er beschützte sie vor Hunden die größer waren als er und Fahrradfahrern die er gar nicht mochte.
Die Jahreszeiten kamen und gingen, und nach einem langen glücklichen Leben schlief der getigerte Freund friedlich schnurrend unter Aufsicht einer mitfühlenden, wissenden, mobilen Tierärztin im April dieses Jahres ein.
Plötzlich war es ganz still, die Leere im Haus war praktisch spürbar. Die Familie weinte bittere Tränen, und das Luftholen fiel schwer. Nun, es blieb nichts anderes mehr zu tun, die Beerdigung war Pflicht. Eingewickelt in seine Lieblingsdecke, Futterzugabe und einem Obolus für den Fährmann der Toten bekam sein irdischer Körper ein tiefes Grab an einem sonnigen Platz im Garten. Die Trauerfeier war schlicht, jedoch nahmen alle Nachbarkatzen Abschied. Das war allen Familienmitgliedern wichtig und tröstete besonders Ronda. Sie hatte nach 22 Jahren ein einzigartiges Kind verloren und weinte die ganze Nacht.
Taigas Seele befand sich zu dem Zeitpunkt bereits auf dem Weg in die Ewigen Jagdgründe. Bald erreichte sie den Grenzpunkt zur Unterwelt. Hier nahm sich seit ewigen Zeiten der Fährmann Charon der verlorenen Menschenseelen an und fuhr sie über den Fluss Styx zum nächsten Abschnitt ihrer Reise des Lebens. Er war erstaunt, als er unser Katerchen am Flussufer stehen sah (Tiere kommen sofort im Himmel). Die funkelnden Augen und die leichte etwas schäbige Leinenbekleidung des Fährmannes schüchterten Taiga zunächst ein wenig ein, doch dann sagte er mutig: "Ahoi Fährmann, kannst du mich übersetzen, ich habe einen Termin mit dem Herrscher der Unterwelt. Ich muss unbedingt noch einmal nach meinem Frauchen sehen!" Charon war sehr erstaunt, er hatte in den vielen Jahrhunderten in denen er dem Tod diente, viel gesehen und gehört, aber dieses Tier war schon ein besonderer Fahrgast. "Nun" antwortete der Fährmann "Hast Du denn deinen Obolus dabei?"
"Aber selbstverständlich. Hier: das Geldstück lag unter meiner Zunge".
Der inzwischen schon etwas genervte Charon (es war Kaffeezeit) nahm den Taler an sich und lächelte.
"Katerchen das ist ein Schokoladengeldstück, den kann ich nicht in ein Ticket umwandeln. Du musst nun einhundert Jahre am Ufer warten bis ich dich übersetzen kann. Jedoch habe ich seit Ewigkeiten keine Schokolade mehr gegessen und wenn ich ihn behalten kann, schicke ich dich für eine kurze Zeit zurück zu deiner Familie. Taiga fand keine Worte für dieses großzügige Angebot nur ein "Dankeschön" verließ seinen zahnlosen Mund. "Komm spring in mein Boot, ich fahre dich in das Reich der Lebenden zurück. Wir müssen nur noch einen kleinen Abstecher in unser neues Büro machen. Ich brauche meinen Ausgehumhang und natürlich Geld. Seitdem mein Meister, der Tod, einen Webmaster vom Ostufer-Kaufhaus angeworben hat, ist es hier auf dem Fluss sehr ruhig geworden. Alles wird umstrukturiert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Frühbucher sparen 20% des regulären Fahrpreises und die Seelen werden auch noch (gegen einen kleinen Aufpreis) zu Hause abgeholt". "Ach, das ist ja sehr Interessant" fand der Kater. Beide plauderten den ganzen Weg über ihr vergangenes Leben und Charon bemerkte wie einsam er seit dem Tod seiner Frau doch war. Damals vor Jahrhunderten war die Welt noch in Ordnung und die moderne Welt, aus der Taiga kam, kannte er nur aus den Medien. Er hatte sich nie einen Urlaub gegönnt und überhaupt war er nicht mehr auf dem neuesten Stand der modernen Welt. Da hatte der Kater eine Idee.
"Charon wie wäre es denn einmal mit einem Kurzurlaub in der Welt der Lebenden? Komm doch mit mir nach Hause und ich zeige dir die schöne neue Welt. Niemand kann immer nur arbeiten. Ich finde das du viel mehr aus deinem Typ machen kannst. Deine Haut hat eine sehr graue Farbe angenommen, dein Haarschnitt ist altbacken und deine Kleidung riecht nach Muff. So geht das doch nicht weiter. Hab Mut und lass dich von den jungen Männern in ihren Konfirmantenanzügen nicht unterkriegen. Nimm die Veränderungen in deinem Leben an, wie ein Mann. Lächle und kämpfe.
Charon war verwirrt. Seine Neugier war geweckt und der Kater versprach, dass Schokolade in seiner Heimat kein Problem sei, wenn man Geld hat. Und Charon besaß viel Geld. All die Goldstücke von den guten Seelen hatte er aufgehoben, sein Schatz war riesengroß und füllte eine ganze Höhle. Alles klar, überredet!
Gut gelaunt erreichten die beiden sehr ungleichen Gefährten am frühen Nachmittag das Haus von Taiga`s Familie. Das Auto stand vor der Tür und schon drückte der Fährmann den Klingelknopf. Der Türsummer brummte und auf ging es in den dritten Stock. Ronda (Katerchens Frauchen) schaute schon in das Treppenhaus und erschrak, als sie den dunkel gekleideten Mann erblickte. "Der will ja wohl nicht zu mir" schoss es ihr durch den Kopf."Ist denn schon wieder Halloween oder gar das eine neue Bettelidee?".
Der Fährmann (keuchend an der obersten Stufe angekommen) musste erst einmal Luft holen. Ronda fühlte sich wie mit der versteckten Kamera beobachtet und blieb ruhig. Sie hatte sich vorgenommen sich nicht mehr so oft aufzuregen (ihr Blutdruck war zu hoch), und diese Situation war eine gute Übung.
"Bitte entschuldigen sie die Störung" begann Charon das Gespräch. "Ich bin der amtierende und einzige Fährmann der Unterwelt, und ihr verstorbener Kater wollte noch einmal sehen ob es ihnen gut geht. Er hat keine Mühen und Diskussionen gescheut und mir sogar seinen Schokoladentaler gegeben um nach Hause zurück zu kommen." Hm, wieso Schokoladentaler? War sie an seinem Sterbetag so verwirrt gewesen, das sie einfach nach dem Geldstück aus der Süßigkeitenschale gegriffen hat? Das alles war selbst für Ronda zu viel, sie trauerte und hatte so gut wie nicht geschlafen und gegessen. Es wurde schwarz vor ihren Augen und sie viel einfach so in Ohnmacht und dem Fährmann in die Arme. Na, das war nicht wirklich gut gelaufen. Charon trug Ronda in die Wohnung (ihre Haut duftete angenehm nach Rosen) und legte sie auf das Sofa. Taiga zeigte ihm wo sich die Kaffeedose befand und die Kekse versteckt waren. Der Tisch war hübsch eingedeckt als Ronda wieder erwachte, und nun fing die Fragestunde an.
"Lieber Fährmann" begann Ronda das Gespräch. "warum denken sie das ich ihnen ihre Geschichte glaube? "na, weil meine Papyrusschiff direkt auf der Straße hinter ihrem Auto steht und der getigerte Kater gerade so schön in der Sonne sitzt das jeder den Schatten seiner Seele sehen kann". Mit diesen beiden schlagkräftigen Argumenten war unser Katerchen mehr als zufrieden. Er mochte diesen großen Kerl, der sich so sehr für ihn einsetzte und sich die Zeit nahm mit seinem Frauchen zu reden. Ronda hingegen war noch nicht überzeugt. Sie sprang vom Sofa auf, schaute durch das Küchenfenster, und tatsächlich stand da das Schiff. Es hatten sich schon ein paar Schaulustige eingefunden, um es zu fotografieren. Sie drehte sich um, damit sie Taigas Schatten sehen konnte, aber da war gar nichts. Verdutzt sah sie den Fährmann an, dieser lächelte zum ersten Mal und meinte nur "gute Frau sie sind gerade durch seine Seele gegangen. Es braucht ein paar Minuten bis die Teile wieder zusammengesetzt sind" und tatsächlich es dauerte nicht lang da konnte sie den Schatten ihres geliebten Katers sehen. Sie war überzeugt das der Mann die Wahrheit sagte, und so hatten die Drei noch einen sehr netten Nachmittag. Taiga lag wieder schnurrend auf Frauchens Schoß und Charon genoss die Harmonie die er lange nicht erfahren hatte.
Da schellte die Türklingel, und als Ronda öffnete, sah sie dass die Polizei, dein Freund und Helfer, auf dem Weg in ihre Dachgeschosswohnung war. "Auch das noch" dachte sie, und schon standen die beiden jungen Polizisten vor ihr. "Frau Sommer gehört das Boot vor der Tür ihnen?" fragte ein Polizist. "Nein" antwortete diese. "einem Freund. Es gehört zu einer Filmrequisite die wir für eine Verfilmung von einem Märchen brauchen. Warum fragen sie?" "Weil ein Schiff in einem Hafen ankert und nicht auf einem Bürgersteig steht. Zusätzlich haben sich die Nachbarn beschwert, dass sie vor lauter Schaulustigen ihre Häuser nicht mehr erreichen können. So geht das nicht, das Boot muss schnellstmöglich von der Straße". Mit ihrem bezauberndsten Lächeln und einem Kaffee to go entschuldigte sie sich für diese Panne und die Polizisten versprachen in einer Stunde noch einmal einen Blick in die Straße zu werfen.
Alles gut, soweit … inzwischen kamen im Internet Gerüchte auf. Die Leute fanden keine Erklärung für dieses Schiff und so brachte einer die Fakenews "es wird in unserem Stadtteil ein Actionfilm gedreht" heraus und die Menschen glaubten diese. Nachdem die Polizisten wieder gegangen waren, blieb in Ronda`s Wohnzimmer die Frage offen, wohin mit dem Schiff. Da klingelte des Fährmanns Handy. Gruno ( von Beruf Walfänger und Kobold), ein alter Internetfreund, war am anderen Ende zu hören. Er hatte das Schiff seines Freundes im Ghostbook gesehen und sich Sorgen gemacht. Geisterwesen verhalten sich in der normalen Welt eher bedeckt, diese Regel war allen bekannt und nur Dämonen mit Liebeskummer verstießen dagegen. Er lud Charon zu sich nach Hause ein, und selbstverständlich kümmerte er sich um einen Liegeplatz für des Fährmanns Barke. Nachdem alles geregelt war, wurde gegrillt und der Fährmann fühlte sich super wohl. Natürlich schlief Taiga in dieser Nacht im Bett von Ronda und Charon blieb bei seinem Freund im Gästezimmer.
Am nächsten Morgen waren alle am Stadtstrand verabredet. Jeder brachte eine Kleinigkeit zu Essen mit, und die Sonne strahlte mit den weißen Segelschiffen um die Wette. Es war ein wunderschöner Vormittag und so kam es, dass noch andere Menschen am Stand waren. Charon wunderte sich über die Pappbecher, die diese in der Hand hielten und dann einfach in den Müll warfen. Er hielt das für unnötige Umweltbelastung, doch alle zuckten nur mit den Schultern. Einwegverpackungen gehörten zum neuen Leben dazu. Der Fährmann schüttelte nur mit dem Kopf und dann ging es mit Ronda und Taiga zum Einkaufen. Zu aller erst bekam der Fährmann ein neues Outfit. Kleider machen Leute und diese Weisheit gilt auch heute noch. Er mochte es, wenn Ronda fand das er nun super gut aussieht...und das war wirklich noch eine Untertreibung. Nach dem sehr erfolgreichen Umstyling ging es zu einem Drogerie Discounter. Ronda brauchte noch Waschpulver und Deo. Eigentlich eine einfache zehnminütige Aufgabe. Tja, Charon sah das anders. Jedes Deo wurde schlecht gemacht. Das Waschpulver war auch nicht das Richtige. Immer das Wohl der Erde im Sinn, nahm Charon jedes Produkt (mit einem negativen Kommentar) aus dem Einkaufswagen. Das war zu viel für die unbedarfte Ronda...und beim letzten Kommentar zu einem Weichspüler, der ja nun wirklich überflüssig sei, platzte Ronda der Kragen. Was fiel diesem eigentlich entzückenden Mann ein einfach ihre Kaufgewohnheiten zu kritisieren. Alarmstufe rot… Taiga wusste was nun kommen würde. Ronda gab Gas und eine sehr laute Diskussion erweckte das Interesse von den anderen Kunden.
Die Zuschauer amüsierten sich sichtlich über den Wettstreit von Worten und Argumenten und Charon lag deutlich vorn, als Taiga rief: "Hört auf ihr zwei, das bringt doch nichts". Erst nun bemerkten die zwei Streithähne, wie viel Aufmerksamkeit sie bekamen und Ronda sagte nur:" Das war eine Probeszene für einen Film der hier gedreht werden soll". Nach einer kurzen Verbeugung nahm sie Charon an die Hand und ging mit ihm zur Kasse um die Seife und die Marzipanschokolade zu bezahlen. Wir können uns alle denken, was nun im Netz los war (selbstverständlich mit einem Foto der beiden).
Es dauerte gar nicht lang, da klingelte erneut das Handy des Fährmannes. Gruno war sehr besorgt. Er konnte nicht verstehen warum der Fährmann seine Mahnung inkognito zu bleiben nicht umsetzte. Ständig klingelte bei ihm das Telefon, und sein ruhiger Gartensamstag war dahin. Zwerge, Holundergeister, Hexenwesen, Meerminnen und viele andere wollten mehr erfahren, und so hatte seine Frau Merrit eine spontane Willkommensparty für Charon organisiert. Geisterwesen feiern selten, aber wenn, dann auch richtig.
Taxi Ostufer
Ronda, hatte gerade noch genug Zeit um unter die Dusche zu gehen (die neue Kokosseife duftete erstaunlicher Weise richtig gut) und sich ein hübsches, buntes Kleid anzuziehen...und schon wurden Kater und Frauchen.. von dem Taxi ihrer Freundin abgeholt. Maud kannte genau den Weg und fragte was Ronda im Villenviertel der Stadt zu suchen hatte.
Da lächelte diese nur und sagte: "Ich glaube ich habe mich in einen Regisseur verliebt und der feiert heute eine Kostümparty".
"Ach, und als was gehst Du?" fragte diese.
"Na, als gute Fee im Urlaub".
Beide Frauen mussten lachen und genossen die Fahrt. Mit dem Versprechen sie wieder abzuholen und das Ronda ihr ein paar Fahrgäste zu vermitteln würde, begann Maud ihre Nachtschicht. Im Haus von Gruno herrschte ein buntes Treiben. Gut einhundert Gäste vergnügten sich beim Tanzen oder an der Bar. Die Stimmung war ganz ausgezeichnet und niemand störte es das ein menschlicher Gast anwesend war...Kurz nach Mitternacht stellte sich Charon den Fragen der Anwesenden, als plötzlich die Lichter erloschen und der Tod erschien. Er war nicht amüsiert. Der Fährmann war sein ältester Angestellter und er konnte nicht verstehen warum gerade er nun Ärger und Aufregung verursachte. Wie konnte er nur so einfach seinen Arbeitsplatz verlassen. So eine Aufmüpfigkeit konnte er nicht akzeptieren. "Hop hop Charon, ab in deine Schublade und wieder zurück an die Arbeit". Der Fährmann weigerte sich mit einer Hartnäckigkeit die ihres gleichen suchte. Die kurze Zeit in der freien Welt hatte ihm die Augen geöffnet. Er wollte nicht wieder zurück an den dunklen, zugigen Fluss...und vor allem wollte er seine Freizeit nicht mehr alleine verbringen. Der Tod fand keine Worte für dieses Aufbegehren und als er dann noch die Seele des Katers sah...verstand er gar nichts mehr. Was war nur passiert, warum besaß sein treuer Fährmann plötzlich so viel Courage?
Es nutzte nichts. Der Tod lenkte ein, und da er den Fährmann nicht verlieren wollte (... und an seinem Image als guter Arbeitgeber arbeitete), wurde ein Mitarbeitermeeting (Gruppen und Einzelgespräche) vereinbart. Gut soweit, aber die Seele des Katers wollte der Tod unbedingt mitnehmen. Das war natürlich keine Option für Ronda. Wieder entstand ein Streitgespräch und Mittendrin erschien hell und strahlend wie der Sonnenschein, das Leben in Form einer wunderschönen Frau. Ihre Aura tauche den Raum in ein goldenes Licht. Plötzlich waren alle still und der Tod glaubte nicht was er dann sah. Das Leben streichelte Taiga`s Seele und sprach mit einer glockenreinen Stimmen den Tod an. "Ewiger Gegner, wir haben viele Kämpfe geführt und uns nie vertragen. Dieses eine Mal bitte ich dich von Herzen lass das Tier bei seinem Frauchen. Es kostet Dich nur ein Augenzwinkern und alles wäre gut. Der Tod lächelte und Charon bekam Angst. Er zwinkerte mit dem rechten Auge ... Ronda brach zusammen und starb an einem Herzversagen. Einfach so.
Entsetzen machte sich breit, Buh-Rufe aller Anwesenden waren zu hören. Das Leben trat vor Gevatter Tod und sagte nur: "Das andere Auge, Herzilein". "Sorry, my Dear, mein Fehler" sagte der Tod und zwinkerte mit dem linken Auge. Ronda begann wieder zu atmen, und Taigas Seele hatte wieder einen jungen Körper. Jubelrufe und lautes Händeklatschen erfüllten das Haus. "Komm" sagte das Leben "wir wollen uns heute vertragen und ein wenig tanzen". Der Tod sagte nicht nein, für einen Tango mit dem Leben würde er gerne öfter ein Auge zudrücken. Die Party endete am frühen Morgen. Glücklich und total erschöpft bestieg Ronda das Taxi von Maud. "Hey" sagte diese "Du weisst schon das dir eine Katze folgt?" "Ja, die ist mir heute Nacht zugelaufen und weicht mir nicht mehr von der Seite". "Aha, sie sieht genau wie Taiga aus. Das finde ich sehr merkwürdig". "Ja, manchmal hat Frau einfach Glück" bemerkte Ronda und das Gespräch war beendet. Maud wollte Feierabend machen und Ronda nur noch nach Haus.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Ronda durch ein Knuffeln und Stupsen im Gesicht geweckt wurde. Ach ja, der neue Taiga hatte Hunger. Schnell raus aus dem Bett und die Reserveschale mit Rind geöffnet ... und nun begannen ihre Gedanken zu Kreisen. Hatte sie das alles wirklich erlebt? Wurde sie vielleicht etwas merkwürdig?. Es konnte doch nicht sein, dass sie sich in den Fährmann des Todes verliebt hatte! Aber schon klingelte es an der Haustür und Charon kam mit einem Blumenstrauß die Treppen hoch gelaufen. Zu aller erst streichelte er den neuen Taiga dann wandte er sich an Ronda "Süße", begann er das Gespräch. "Ich habe nun stundenlang über uns beide nachgedacht, und ich finde egal was kommt, wir sollten zusammen bleiben und uns besser kennen lernen. Ich mag nicht mehr ohne Dich sein! Du bist meine Sonne und mein großes Glück. Wollen wir ein Leben zusammen versuchen?" Ronda sagte sofort "Ja". Alle Selbstgespräche waren vergessen. Sie mochte diesen selbbstbewußten Mann, der ihr immer zuhörte und auch noch tierlieb war… und so wie kein Anderer Küssen konnte.
Sie lebten glücklich bis an Rondas Lebensende ... und begannen dann auf des Fährmann alten Barke eine neue Reise ins Glück ...
ENDE
"Halt stop, nicht so schnell" höre ich Euch denken, "So kann die Geschichte doch nicht zu Ende gehen!" Stimmt, denn es begab sich folgendes: Charon nahm sich eine Auszeit vom Fährgeschäft (sein Überstundenkonto war reichlich gefüllt) und wurde Filmproduzent in der realen Welt. Nachdem die Menschen so gespannt auf einen Film aus ihrer Stadt waren, fand er das sei eine gute Idee um einmal etwas anderes zu tun. Gute Geschichten gab es genug und da Geld keine Rolle spielte, wurden nur die Besten ihres Faches engagiert. Der Erfolg lies nicht lange auf sich warten, somit konnte er die Einnahmen zur Gründung einer Umweltstiftung spenden.
In Rondas Familie gab es Zuwachs. Sie wurde Oma. Immer wenn das kleine Mädchen mit den wunderhübschen blauen Augen zu Besuch kam, brauchte sich niemand um deren Sicherheit zu sorgen. Taiga war pausenlos zur Stelle. Niemand kam unbemerkt an ihm vorbei und auch den Kinderwagen lies er nie aus den Augen. Mochte er jemanden nicht leiden wurde er kurzum auf einen Baum gescheucht und langfristig vertrieben. Der Tod vermisste seinen langjährigen Angestellten schon sehr, jedoch wählte er sich eine würdige Vertretung aus … nach vielen Vorstellungsgesprächen, die am Flussufer unter den Wartenden Seelen stattfand, wählte er die Flugpionierin Amelia Earhart aus. Sie war unter allen Bewerbern die beste Wahl. Jung, mutig, pfiffig und menschlich ... und warum sollte nicht eine Frauenrechtlerin das Ruder übernehmen. Das machte Sinn und diese Entscheidung bereute er nie.
ENDE
... nun die Moral von der Geschichte: Der Tod ist ein unbesiegbarer Endgegner, er macht keine Unterschiede zwischen arm und reich oder gut und böse ... aber manchmal, wenn das Leben ihn anlächelt, ist auch er bereit ein Auge zuzudrücken.
Alle Rechte vorbehalten - (C) by Ellen Scheel 2018
Photos
Eine alte Kaimauer
Charon - Überfahrt in die Unterwelt. Joachim Patinir, 1515–1524, Museo del Prado, Madrid
Charon - Illustration aus Dantes Göttlicher Komödie. Gustave Doré, 1861.
Maud und ihr Taxi vor dem Kiel-Dietrichsdorfer Wasserturm.
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Diese Geschichte stammt aus dem Buch
Das 13te Märchen
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Ein herumgeisternder Kapitän aus Friesland, ein übermütiges Sternchen auf seiner Reise durchs All, ein Zauberer, der eigentlich keiner werden wollte, eine Königin, die eigentlich keine ist, ein Schwein im Ruhestand, dessen Heimat bedroht ist, weil Meeresgott Neptun einen unkontrollierten Wutanfall hatte ... eine Menge skurriler Gestalten bewegen sich durch diese modernen Märchen.
Dabei geht es in rasantem Tempo durch alle möglichen Zeiten und Schauplätze: Wir besuchen Neptuns Reich, eine einfache Firmenkantine oder geheime Ritualplätze längst verstorbener Wesen. Oder wir befinden uns zwischen randalierenden Geistern verstorbener Seeleute auf einem Campingplatz, bei einem wilden Flugrennen feierlustiger Hexen, oder auf einer verwunschenen Burg im hohen Norden ... Oder im Second Hand Laden, gleich um die Ecke.
13 moderne Märchen, zum Schmunzeln und mit augenzwinkernder Moral.