Ultra-Hochgeschwindigkeitsdatenverbindung Deutschland - Polen

Wissenschaftliche Ultra-Hochgeschwindigkeitsdatenverbindung zwischen Deutschland und Polen eröffnet

Morgen wollen Polen und Deutschland ihre Grenzen wieder für Reisen und Tourismus öffnen. Wissenschaftliche Daten können bereits jetzt mit hoher Geschwindigkeit die Grenze in beide Richtungen passieren. Staatssekretär Prof. Dr. Wolf-Dieter Lukas vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und der polnische Unterstaatssekretär vom Ministerium für Wissenschaft und Bildung Prof. Dr. Grzegorz Wrochna eröffneten heute eine Ultra-Hochgeschwindigkeitsverbindung für den Austausch wissenschaftlicher Daten zwischen den beiden Ländern.

Die neue Verbindung zwischen European XFEL, DESY und dem National Center for Nuclear Research (NCBJ) in Otwock-Świerk bei Warschau schafft zusätzliche Kapazitäten für die Auswertung von Daten aus Experimenten, die internationale Forscherteams am weltweit größten Röntgenlaser European XFEL durchführen.

Die ersten Passagiere auf der neuen Datenlinie waren Daten des Biomoleküls Lysozym, einer häufig zu Testzwecken eingesetzten Verbindung, von der am European XFEL 16 Millionen Datensätze gesammelt und in einem 2019 veröffentlichten Proof-of-Concept-Experiment analysiert wurden. Die Daten werden nun erneut in Polen analysiert, um die Software und Verfahren vor Ort am NCBJ zu testen und zu validieren. Röntgendaten von Molekülen ermöglichen es den Forschenden, deren dreidimensionale Struktur zu bestimmen. Viele solcher Bilder lassen sich zu molekularen Filmen kombinieren, um extrem schnelle Prozesse zu untersuchen, zum Beispiel im menschlichen Körper, bei chemischen Reaktionen oder in Materialien.

Die Geschwindigkeit der wissenschaftlichen Datenanalyse ist wesentlich durch die verfügbare Rechenleistung zur Verarbeitung der Daten beschränkt. Von der Kalibrierung von Datensätzen bis zur Lösung von Strukturen werden enorme Mengen an CPU-Zeit benötigt. Die Nutzung von nun zwei Rechenzentren – bei DESY in Hamburg und bei NCBJ in Świerk – wird die Analyse der Daten beschleunigen, die bei den Experimenten am European XFEL anfallen. Die neue internationale Verbindung ermöglicht es, Daten mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) zu übertragen – etwa 400 Mal schneller als eine herkömmliche Hochgeschwindigkeits-Internetverbindung im Haushalt, die typischerweise eine Download-Geschwindigkeit von etwa 250 Mbit/s erreicht. Darüber hinaus ist die neue Verbindung auch etwa 100-mal schneller als die typischen Internetverbindungen zwischen dem European XFEL und anderen Forschungsinstituten mit Ausnahme von DESY. Bei einer normalen Verbindung würde die Übertragung der riesigen Datenmenge, die bei einem durchschnittlichen Experiment am European XFEL anfällt, etwa einen Monat dauern. Mit der neuen Verbindung wird dies auf wenige Stunden reduziert.

Wolf-Dieter Lukas, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, sagte: „In Zeiten, in denen wir dies am meisten benötigen, bringt uns die Hochleistungsdatenverbindung näher zusammen. Ermöglicht wurde sie durch Erfindergeist, wissenschaftliche und technische Exzellenz, hervorragende Teamarbeit und erhebliche Investitionen sowohl auf polnischer als auch auf deutscher Seite. Gemeinsam verfügen Polen und Deutschland nun über wissenschaftliche Instrumente zur Erfassung enorm schneller Prozesse, Rechenzentren für die dazugehörige Analyse und eine Datenverbindung zur Übertragung der Daten und Ergebnisse – und zwar in Hochgeschwindigkeit.“

„Es ist ein großer Erfolg der polnischen Wissenschaftler, dass das nach Hamburg zweite XFEL-Rechenzentrum bei NCBJ eingerichtet wird“, erklärte der polnische Unterstaatssekretär Grzegorz Wrochna. „Das Ministerium und NCBJ haben dies seit Jahren vorbereitet. Der Erfolg ist Ausdruck der Anerkennung der European XFEL Partnerländer für die polnischen Beiträge zum Bau, zur Inbetriebnahme und zur Unterstützung des European XFEL.“

Die Geschäftsführenden der beiden Forschungseinrichtungen, Prof. Robert Feidenhans'l und Dr. Nicole Elleuche für den European XFEL sowie Krzysztof Kurek für den NCBJ, hatten am Vormittag ein Abkommen unterzeichnet, mit dem der Datentransfer zwischen den Einrichtungen geregelt wird.

„Wir freuen uns sehr über die erste Hochgeschwindigkeits-Datenverbindung zu einem unserer Partnerländer außerhalb Deutschlands“, sagte Robert Feidenhans'l. „Sie eröffnet weitere Möglichkeiten für eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit mit unseren polnischen Kollegen und Experten in der Datenanalyse zum gegenseitigen Nutzen beider Partner“, so Feidenhans'l.

„Die intelligente Verteilung und Verarbeitung von großen Datenmengen ist einer der Schlüssel für die Wissenschaft an großen Forschungszentren wie DESY oder European XFEL“, sagte DESY-Beschleunigerdirektor Prof. Dr. Wim Leemans. „Schnelle Datenleitungen wie diese werden die internationale Zusammenarbeit an diesen einzigartigen Anlagen beflügeln.“

An der Einrichtung der Hochgeschwindigkeitsverbindung beteiligt waren neben European XFEL und NCBJ auch der Verein zur Förderung eines deutschen Forschungsnetzes e.V. (DFN-Verein), das Supercomputing and Networking Center am Institut für Bioorganische Chemie in Poznań (PSNC), das Research and Academic Computer Network National Research Institute (NASK) und das Deutsche Elektronen-Synchrotron (DESY). 2017 begannen die Partner mit der Einrichtung der erforderlichen zusätzlichen Infrastruktur.

Über European XFEL
European XFEL ist eine internationale Forschungsanlage der Superlative in der Metropolregion Hamburg: 27.000 Röntgenlaserblitze pro Sekunde und eine Leuchtstärke, die milliardenfach höher ist als die der besten Röntgenstrahlungsquellen herkömmlicher Art eröffnen völlig neue Forschungsmöglichkeiten. Forschergruppen aus aller Welt können an dem europäischen Röntgenlaser atomare Details von Viren und Zellen entschlüsseln, dreidimensionale Aufnahmen im Nanokosmos machen, chemische Reaktionen filmen und Vorgänge wie die im Inneren von Planeten untersuchen. European XFEL ist eine gemeinnützige Forschungsorganisation, die eng mit dem Forschungszentrum DESY und weiteren internationalen Institutionen zusammenarbeitet. Sie beschäftigt mehr als 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, im September 2017 hat die Anlage den Nutzerbetrieb aufgenommen. Mit Kosten von 1,25 Milliarden Euro (Preisniveau 2005) für Bau und Inbetriebnahme und einer Länge von 3,4 Kilometern ist European XFEL eine der größten und ambitioniertesten neuen europäischen Forschungseinrichtungen. Derzeit beteiligen sich zwölf Länder: Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Russland, Schweden, die Schweiz, die Slowakei, Spanien, Ungarn und das Vereinigte Königreich. Deutschland (Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein) trägt 57 Prozent der Kosten für die Einrichtung, Russland 26 Prozent. Die anderen Partnerländer sind mit ein bis drei Prozent beteiligt.

Mehr Informationen finden Sie unter: www.xfel.eu


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