Deutsch-sowjetischer Nichtangriffsvertrag

Ostufer.Net - Zeitgeschichte


Deutsch-sowjetischer Nichtangriffsvertrag

Der deutsch-sowjetische Nichtangriffsvertrag vom 23.8.1939 mit geheimem Zusatzprotokoll. In Moskau unterzeichnet vom deutschen Aussenminister Joachim von Ribbentrop und vom sowjetischen Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Wjatscheslaw Molotow. Abgeschlossen auf zehn Jahre.


Die deutsche Reichsregierung und die Regierung der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken, geleitet von dem Wunsche,
die Sache des Friedens zwischen Deutschland und der UdSSR zu
festigen, und ausgehend von den grundlegenden Bestimmungen
des Neutralitätsvertrages, der im April 1926 zwischen
Deutschland und der UdSSR geschlossen wurde, sind zu
nachstehender Vereinbarung gelangt:


Artikel 1

Die beiden vertragschließenden Teile verpflichten sich, sich
jeden Gewaltakts, jeder aggressiven Handlung und jeden
Angriffs gegeneinander, und zwar sowohl einzeln als auch
gemeinsam mit anderen Mächten, zu enthalten.


Artikel 2

Falls einer der vertragschließenden Teile Gegenstand
kriegerischer Handlungen seitens einer dritten Macht werden
sollte, wird der andere vertragschließende Teil in keiner
Form diese dritte Macht unterstützen.


Artikel 3

Die Regierungen der beiden vertragschließenden Teile werden
künftig fortlaufend zwecks Konsultation in Fühlung
miteinander bleiben, um sich gegenseitig über Fragen zu
informieren, die ihre gemeinsamen Interessen berühren.


Artikel 4

Keiner der beiden vertragschließenden Teile wird sich an
irgend einer Mächtegruppierung beteiligen, die sich
mittelbar oder unmittelbar gegen den anderen Teil richtet.


Artikel 5

Falls Streitigkeiten oder Konflikte zwischen den
vertragschließenden Teilen über Fragen dieser oder jener Art
entstehen sollten, werde beide Teile diese Streitigkeiten
oder Konflikte ausschließlich auf dem Wege
freundschaftlichen Meinungsaustausches oder nötigenfalls
durch Einsetzen von Schlichtungskommissionen bereinigen.


Artikel 6

Der gegenwärtige Vertrag wird auf die Dauer von zehn Jahren
abgeschlossen mit der Maßgabe, daß, soweit nicht einer der
vertragschließenden Teile ihn ein Jahr vor Ablauf dieser
Frist kündigt, die Dauer der Wirksamkeit dieses Vertrages
automatisch als für weitere fünf Jahre verlängert gilt.


Artikel 7

Der gegenwärtige Vertrag soll innerhalb möglichst kurzer
Frist ratifiziert werden. Die Ratifikationsurkunden sollen
in Berlin ausgetauscht werden. Der Vertrag tritt sofort mit
seiner Unterzeichnung in Kraft.

Ausgefertigt in doppelter Urschrift, in deutscher und
russischer Sprache.

Moskau, am 23. August 1939

Für die deutsche Reichsregierung
gez. von Ribbentrop

in Vollmacht der Regierung der UdSSR
gez. W. Molotow



[Geheimes Zusatzprotokoll]


Aus Anlaß der Unterzeichnung des Nichtangriffspaktes
zwischen dem Deutschen Reich und der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken haben die unterzeichneten
Bevollmächtigten der beiden Teile in streng vertraulicher
Aussprache die Frage der Abgrenzung der beiderseitigen
Interessensphären in Osteuropa erörtert. Die Aussprache
hat zu folgendem Ergebnis geführt:

1. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung
in den zu den baltischen Staaten (Finnland, Estland,
Lettland und Litauen) gehörenden Gebieten bildet die
nördliche Grenze Litauens zugleich die Grenze der
Interessensphäre Deutschlands und der UdSSR. Hierbei wird
das Interesse Litauens am Wilnaer Gebiet beiderseits
anerkannt.

2. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung
der zum polnischen Staat gehörenden Gebiete werden die
Interessensphären Deutschlands und der UdSSR ungefähr durch
die Linie der Flüsse Pissa, Narew, Weichsel und San
abgegrenzt. Die Frage, ob die beiderseitigen Interessen die
Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staates erwünscht
erscheinen lassen und wie dieser Staat abzugrenzen wäre,
kann endgültig erst im Laufe der weiteren politischen
Entwicklung geklärt werden. In jedem Falle werden beide
Regierungen diese Frage im Wege einer freundschaftlichen
Verständigung lösen.

3. Hinsichtlich des Südostens Europas wird von sowjetischer
Seite das Interesse an Bessarabien betont. Von deutscher
Seite wird das völlige politische Desinteressement an diesen
Gebieten erklärt.

4. Dieses Protokoll wird von beiden Seiten streng geheim
behandelt werden.

Moskau, den 23. August 1939

gez. von Ribbentrop
gez. W. Molotow

Published by Ostufer.Net 2011


Verwandte Artikel