Die Sage vom Ukleisee

Der Ukleisee liegt in der Nähe der Kreishauptstadt Eutin in Ostholstein. Die Sagen zu diesem See gibt es in mehreren Versionen. Hier sind zwei davon.


Die Sage vom Ukleisee - Erste Version
Nicht weit von Eutin in einem Buchenwald gibt es einen kleinen See, genannt der "Uklei". Sein dunkles Wasser ist ruhig und ungestört in einer Umgebung, die oft traurig und melancholisch wirkt. Dieser See entstand vor vielen Jahren.

Auf der Anhöhe, wo jetzt das Jagdschlößchen steht befand sich vor langer Zeit ein Schloss, in dem ein junger, schöner Ritter lebte. Jeden Morgen ging er früh in den Wald zum Jagen und begegnete dort oft der Tochter eines armen Bauern aus Sielbeck, die ihres Vaters Pferde vom Wald auf die Wiesen führte. Der Ritter, von ihrer Schönheit entzückt, verliebte sich in sie, doch sie widerstand seinen Annäherungen und den ihr angebotenen Geschenken. Auf seine Liebesschwüre entgegnete sie, dass sie niemals seine Frau werden könne, da sie nur die Tochter eines armen Mannes sei. Und doch hatte sie sich bereits unsterblich in den wilden Ritter verliebt.

Eines Morgens, als er sie wieder mit Bitten und Versprechungen bedrängte, kamen sie zu einer kleinen Kapelle im Wald. Der Ritter führte das Mädchen zum Altar mit den Worten: "Hier vor Gottes Augen nehme ich Dich als meine Gemahlin und der Himmel soll mich vernichten, wenn ich meine Treue nicht halte." Das Mädchen glaubte seinem Schwur und traf den Ritter von nun an jeden Morgen im Wald. Als das Mädchen ihn an sein Versprechen erinnerte, kam er seltener und schließlich gar nicht mehr. Sie fühlte sich verlassen und betrogen, trug nur noch ein schwarzes Kleid und wurde vor Gram krank und verstarb.

Inzwischen hatte sich der Ritter mit einer reichen Gräfin verlobt. Die Hochzeit sollte in der kleinen Kapelle im Wald stattfinden. Als der Pfarrer nach seiner Predigt das Brautpaar zusammenführen wollte, erschien plötzlich der Geist des unglücklichen Mädchens. Ihr Finger zeigte drohend auf den Bräutigam, als er in Schrecken niederfiel. Ein furchtbares Gewitter brach aus und die Kapelle mit allen, die drinnen waren, versank in den Boden und es entstand der See, wie wir ihn heute kennen. Nur der Pfarrer, die Braut und ein kleines Mädchen auf der hölzernen Treppe zum Altar wurden gerettet.

In der Abenddämmerung, bei ganz stillem Wetter, ist das Läuten des kleinen Glöckchens der Kapelle aus dem Wasser zu hören, doch man muss selbst ganz still sein und genau hinhören ...


Der Ukleisee um 1895


Die Sage vom Ukleisee - Zweite Version
Selinde, die Tochter des Sielbeckbauern, ist aus dem Weiher, in den sie beim Pflücken von Wasserrosen geraten war, von dem Forstgehilfen Widolf gerettet worden. Widolf hat ihr seine Liebe erklärt. Beim Erntefest auf dem Pachthofe Sielbeck lernt der Gutsherr Graf Albrecht von Seeburg Selinde kennen.

Es entspinnt sich ein Liebesverhältnis zwischen dem Grafen und Selinde, die sich von Widolf abwendet, aber von dem Grafen in der Waldkapelle betört wird. Als Selinde später erfährt, daß der Graf sich mit Gräfin Hohenhorst vermählen will, bittet sie um eine Unterredung bei der Kapelle. Ein Zufall führt Widolf hinzu. Er hört, was der Graf Selinde angetan hat und dringt mit dem Hirschfänger auf ihn ein. In einem Ringen wird der rasende Widolf von Waldarbeitern überwältigt und auf Befehl dese Grafen in das Burgverließ abgeführt. Der Graf will Widolf verzeihen, wenn Selinde einwilligt, ihn zu heiraten. Weigere sie sich, so sei Widolf dem Tode verfallen und Selinde solle geächtet aus dem Land gewiesen werden. Selinde sucht den Tod in den Fluten des Weihers.

Als aber Graf Albrecht, der Selinde schnöde die Treue brach, mit der Gräfin Hohenhorst und der Hochzeitsgesellschaft am anderen Tage zur Trauung in die Kapelle einzog, ertönte ein furchtbarer Donnerschlag. Die Kapelle, wo der Menschen Tücke sich unter frommem Schleier barg, versank mit dem daran anstoßenden Erdreich in den Weiher. Die Hochzeitsgesellschaft fand ihr Grab in den Fluten. Der Weiher wurde zu einem See, der die Gestalt des jetzigen Ukliesees annahm. Das Strafgericht der ewigen Vergeltung hatte sich vollzogen.

Mitternächtlich rufen aus dem See die Glocken der versunkenen Kapelle. In mondhellen Nächten erscheint dem Wanderer durchschauerten Gemütes die Gestalt Selindes an der Quelle am Ukleisee.

Aus: "Selinde", die Sage vom Ukleisee von Otto Kähler.


Published by Ostufer.Net 2009 / 2023



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