Detlev Freiherr von Liliencron



Detlev Freiherr von Liliencron

Die Attacke


Platz da, und Zieten aus dem Busch!
Mit Hurra drauf in Flusch und Husch,
und vorgebeugten Leibes rasen,
in einem Strich die Pferdenasen
wir zwei weit voran den Husaren,
so sind wir in den Feind gefahren.
Die roten Jungen hinterher
in todesbringender Karriere,
daß wild die Spitzen der Schabracken
den Grashalm fegen wie der Wind.
Und hussa, hep, die bunten Jacken,
sind wir am Waldesrand geschwind.
Geknatter, dann ein tolles Laufen,
wir konnten kaum mit ihnen raufen,
so rissen sie Gascogner aus
vor unserm Säbelschnittgesaus.
Doch hinter einer schmalen Erle
stand einer dieser kleinen Kerle
und macht auf mich recht schlecht Witze:
er schoß mir ab die Helmturmspitze.
Ei, du verfluchter gelber Lümmel,
ich treffe gleich dich im Getümmel.
Und "Hieb zur Erde tief" saß ihm
im Schädel eine forsche Prim
Kolonnen rücken nun heran,
der Auftrag war erfüllt, getan.
Der Leutnant sammelte den Zug,
und als er durch die Säbel fragte,
ob keiner wegblieb, keiner fehle,
da schnürt es ihm die junge Kehle.
Denn der Trompetenschimmel bäumte,
den Sattel frei, und schnob und schäumte.
Wir fanden seinen Reiter bald
an Brombeersträuchern, tot, im Wald.
Ein blaurot Fleckchen zeigte nur
den Schuß ins Herz, der Kugel Spur.
Bei meinem Freund zum erstenmal
sah ich die Scherbe niederschnippen,
und Tränen fielen ohne Zahl
dem Toten auf die bleichen Lippen.


O schäm dich nicht, wenn dies du liest,
daß dir so leicht die Träne fließt.
Im Sterben trägst du noch die Scherbe;
ich sei, stirbst früher du, der Erbe.
Dann denk ich an den treuesten Freund,
den je die Sonne hat gebräunt.


Detlev von Liliencron
Geboren am 3. Juni 1844 in Kiel als Sohn eines Zollbeamten
Gestorben am 22. Juli 1909 in Alt-Rahlstedt (heute Hamburg)


Published by Ostufer.Net 2015


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