(hk) Seit ein paar Tagen liegt er im Hafen von Möltenort: ein riesengroßer, alter Anker. Er ist rund vier Meter lang, bedeckt mit Muscheln, Sand vom Meeresgrund und schon halb zerfallen und verrostet.
Als ich diesen Anker sah, schoss mir spontan das Jahr 1715 durch den Kopf. Nach der Seeschlacht bei Fehmarn im "Großen Nordischen Krieg" flüchtete die gesamte, schwedische Flotte, abgekämpft und umzingelt, in Richtung Kiel. Um die zum Teil schwer angeschlagenen Schiffe nicht in die Hände der gegnerischen Dänen und Norweger fallen zu lassen, wurden die Schiffe dort in Ufernähe auf Grund gesetzt und versenkt. Zum Entsetzen der Dänen, die sich das makabre Schauspiel und den Verlust der sicher geglaubten Beute hilflos mit ansehen mussten. Damit die Dänen ihnen nicht folgen konnten, hatten die Schweden vor der Versenkung alles über Bord geworfen, was irgendwie entbehrlich war. So konnten sie in flaches Wasser gelangen, die Dänen hatten keine Chance, die Schiffe des Gegners zu entern.
Das schwedische Flaggschiff, die 'Prinsessan Hedvig Sophia' ist erst vor ein paar Jahren gefunden worden. Ihre Ausrüstung war in einer Spur mit einer Länge von mehrern hundert Metern auf dem gesamten Meeresgrund verteilt. Insgesamt lag hier ein ganzes Geschwader mit sechs Schiffen auf dem Grund der Ostsee. Fünf der Schiffe konnten von den Dänen geborgen und wieder flottgemacht werden. Nur das Wrack der Hedvig Sophia verblieb in der Gegend von Bülk und zerfiel dort langsam.
Fischer Henry Schrock aus Möltenort, der den Anker plötzlich im Netz hängen hatte, schätzt ihn auf etwa 100 Jahre jünger. Anfang April war er mit seinem Kutter 'Jane' am Stollergrund zum Fischen. Er befand sich etwa zwei bis drei Meilen westlich vom Kieler Leuchtturm, als es plötzlich nicht mehr weiterging. Das Schiff hing fest. Grund dafür war dieser alte Stockanker, der sich in seinem Grundnetz verfangen hatte. Zu seinem Glück befand sich ein Boot des Kampfmittelräumdienstes in der Nähe, der östlich vom Leuchtturm gerade alte Munition entschärft. Ein Taucher aus dem Trupp konnte die 11,50 Meter lange 'Jane' wieder befreien.
Am letzten Freitag ging es nochmal auf den Stollergrund, mit dabei war Kollege 'Konni' Fischer mit seinem etwas größeren Kutter 'Maria'. Gemeinsam konnte man den Anker vom Meeresgrund hochziehen. Die Wassertiefe in der sehr unebenen Gegend am Kieler Leuchtturm beträgt fünf bis zu 22 Meter, der Anker befand sich in 13 Metern Tiefe.
Das Alter des Ankers lässt sich anhand seiner Bauweise schätzen. Der Querbalken besteht aus Eiche, für modernere Anker wird jedoch Stahl verwendet. Der Name des Schiffes, zu dem dieser Anker gehört, liess sich nicht mehr ausmachen. Möglicherweise hat sich der Anker auch nur losgerissen und ist ohne sein Schiff auf den Grund der Ostsee gesunken. Möglich ist auch, dass dort ein Schiff geankert hat und dass sich der Anker beim Hochziehen im steinigen Grund verheddert hat. FGür diese Möglichkeit spricht, dass der Anker leicht verbogen war. Auf jeden Fall gehörte er zu einem der größeren Segelschiffe. Zum Vergleich: Die Anker der 'Sedov' und der 'Krusenstern' sind zwar aus Vollmetall, aber sie sind kürzer als dieses Fundstück.
In der Ostsee liegen noch etliche Schiffe aus allen Jahrhunderten. Viele sind bei Seeschlachten oder in Kriegen versenkt worden, andere sind im Sturm auf Grund gelaufen oder gesunken. Mittlerweile haben Archäologen der Uni Berlin ein Stück Holz aus dem Anker in der Untersuchung. Es ist gut möglich, dass damit das Schiff bestimmt werden kann, zu dem der Anker gehörte.
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