Ostufer.Net - Meer und Umwelt
Munition in Nord- und Ostsee
Text- und Quellensammlung zur Problematik der Verseuchung von Nord- und Ostsee mit Munition aus den beiden Weltkriegen
Phosphorbomben aus dem Zweiten Weltkrieg
... Blindgänger derartiger Brandbomben sind auch heute noch eine Gefahr, da der Phosphor sich beim Freilegen von selbst entzündet und z.B. die Ausstoßladung zur Explosion bringt. Bei Fehlwürfen von Phosphorbomben ins Wasser wurde vielfach der Phosphor zwar freigesetzt, entzündet sich allerdings unter Wasser nicht. Erst wenn er z.B. im Spülsaum am Strand an die Oberfläche gelangt, kann er sich entzünden. An der Ostsee führt dies zu einem besonderen Problem: Aufgrund seines Aussehens wird der Phosphor oft irrtümlich für Bernstein gehalten. Dies führt z.B. im Bereich der bombardierten Heeresversuchsanstalt Peenemünde auf Usedom immer wieder zu schweren Verletzungen, wenn sich der vermeintliche Bernstein nach dem Abtrocknen entzündet und die Kleidung der Finder in Brand setzt.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Phosphorbombe
(Annmerkung der Redaktion: An 17. August 1943 flogen 596 britsche Bomber einen Angriff gegen die Raketenversuchsanstalt Peenmünde. Ein sehr großer Teil der abgeworfenen Brandbomben, gefüllt mit Phosphor, landete dabei nicht an Land, sondern im Wasser unmittelbar vor dem Versuchsgelände. Heute sind hier Badestrände.)
Torpedobergung in der Flensburger Förde
Pressemitteilung der Wasserschutzpolizei SH, 13.3.2014
(ots/wsp-sh) Der Kampfmittelräumdienst hat am 11. und 12. März zwei Torpedos aus dem 2.Weltkrieg vor Glücksburg, in der Flensburger Förde, geborgen. Diese waren bei Vermessungsarbeiten des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), im letzten Jahr, entdeckt worden. Beide Torpedos sind als Übungsgerät identifiziert und waren nicht mit Sprengstoffen bestückt. Das Wasserschutzpolizeirevier Flensburg hat mit dem Streifenboot "Duburg" den Einsatz begleitet. Die Bergung erfolgte von Bord des Feuerlöschbootes "Kiel" (Photo).
Brisanter Munitionsfund im Flensburger Hafen
Pressemitteilung der Wasserschutzpolizei SH, 10.12.2013
(ots/wsp-sh) Taucher vom Kampfmittelräumdienst haben heute eine Sprenggranate auf dem Hafengrund entdeckt. Es handelt sich um einen Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg, mit einem komplizierten Zündmechanismus. Daher ist die Munition nicht transportfähig und wird am Mittwoch, den 11. Dezember, im Rahmen einer so genannten "Vor Ort Sprengung" in der Wasserslebener Bucht vernichtet. Auch eine bereits entschärfte Sprenggranate konnte in der Nähe geborgen werden.
Die Wasserschutzpolizei aus Flensburg hatte zuvor Fotos von einem Bürger erhalten, welche beim letzten extremen Niedrigwasser entstanden sind. Nach Auswertung durch den Kampfmittelräumdienst konnte auf den Bildern eindeutig die Munition identifiziert werden. Zur Sicherheit wird durch Boote vom Wasserschutzpolizeirevier Flensburg, während der Sprengung, ein Sicherheitsbereich von 300m eingerichtet. Die Taucher konnten mit Ihrem sensiblen Minensuchgerät, glücklicherweise, keine weitere Kriegsmunition auffinden.
Photo: Alte Schiffsgranaten im Maritimen Museum Hamburg
Bombengrab Ostsee
Pressemitteilung des ZDF zur Reihe "planet e." über Munitionsaltlasten im Meer, 2.11.2012.
(ots/zdf) Um gefährliche Munitions-Altlasten, die seit dem Zweiten Weltkrieg auf dem Meeresboden lagern, geht es in der Dokumentation "Bombengrab Ostsee", die das ZDF am Sonntag, 4. November 2012, 13:30 Uhr, in seiner Reihe "planet e." ausstrahlt. Die Autoren Stefan Bomhof und Karlo Malmedie gehen mit dem Meeresbiologen Dr. Stefan Nehring auf Spurensuche. Der Wissenschaftler beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit Munitionsaltlasten, die in deutschen Gewässern verklappt wurden.
Nach einer Studie des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie liegen in deutschen Hoheitsgewässern 1,6 Millionen Tonnen Waffenschrott, vieles davon vom Rost zerfressen. Die Freisetzung von explosiven und hochgiftigen Inhaltsstoffen gefährdet Mensch und Umwelt gleichermaßen. Bomben, Granaten, Chemiewaffen - all das wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Auftrag der Alliierten direkt vor den Stränden Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns entsorgt. Torpedofunde am Strand von Heiligendamm und Anspülungen von Phosphor auf der Ferieninsel Usedom unterstreichen die Dringlichkeit des Problems. Doch eine umweltgerechte Entsorgung wurde von den Behörden bislang nicht in Angriff genommen.
Link: www.planete.zdf.de
Alte US-Fliegerbomben - Flandernbunker Kiel
Keine Gefährdung nach Sprengstofffund durch Kinder am Schönberger Strand
Pressemitteilung des LKA Schleswig-Holstein, August 2012
(ots/lka-sh) Am 28.7.2012 fanden zwei am Schönberger Strand spielende Kinder einen kristallartigen ca. 1,5 Kilogramm schweren Klumpen, der sich im Nachhinein als Sprengstoff herausstellte. Eine akute Gefahr bestand indessen nicht.
Dieser Klumpen war von außen dunkelgrau und von innen gelblich. Durch das Berühren der Substanz färbte diese die Hände der Kinder gelblich. Wie sich über eine Untersuchung herausstellte, war der Stoff giftig und kann bei unsachgemäßem Handhaben über die Haut aufgenommen werden. Daher erfolgte vorsorglich eine ärztliche Untersuchung der Kinder, die im Ergebnis keine Schäden davongetragen hatten.
Zur Sicherheit wurde zusätzlich der unmittelbare Strandbereich von den Spezialisten des Landeskriminalamtes abgesucht. Weitere Substanzen wurden nicht gefunden.
Nach derzeitiger Sachlage wird davon ausgegangen, dass diese Substanz aus maritimer Weltkriegsmunition vor Heidkate stammt. Die aufgefundene Substanz ist nicht schwimmfähig. Sie dürfte am ehesten von Hobbytauchern aufgenommen und nach Feststellung von Abfärbungen an Händen oder Handschuhen wieder im Flachwasser oder an Land entsorgt worden sein.
Eine andauernde akute Gefährdungslage durch weiteren Sprengstoff am Schönberger Strand war somit ausgeschlossen.
Weltkriegsmunition wird in Schleswig-Holstein, wie in anderen Bundesländern auch, heute noch regelmäßig zu Lande und zu Wasser gefunden. In diesen Fällen beseitigt der Kampfmittelräumdienst die Funde und macht sie unschädlich. Gebiete besonderer Belastung sind in den Seekarten als "Unrein Munition" gekennzeichnet. Die Strände selbst sind keine solchen Gebiete, da maritime Munition hier äußerst selten gefunden wird. Zuständig für die Sicherheit der Strände sind die jeweiligen Gemeinden. Dort ist man sich der grundsätzlichen Problematik und allgemeiner Gefahren am Meer bewusst und geht damit sehr verantwortungsvoll um.
Versenkte Chemiewaffen gefährden die Ostsee
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 15/479
15. Wahlperiode 13. Oktober 2000
Kleine Anfrage des Abgeordneten Manfred Ritzek (CDU) und Antwort der Landesregierung - Minister für Umwelt, Natur und Forsten
In der Ostsee wurden in den Jahren 1946/1947 mehr als 300.000 Tonnen gefährliche Kampfstoffe versenkt wie Senfgas, Lost, Adamst, Lewisit. Experten befürchten, beginnend etwa in fünf Jahren, eine Naturkatastrophe, weil dann
die Behältnisse so stark korrodiert sind, dass die Gifte in die Ostsee gelangen.
Frage 1
Ist die Landesregierung sich grundsätzlich dieser Bedrohung bewusst?
Bereits 1992 wurde durch die Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee eine internationale Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich ausschließlich mit der Einschätzung der Umweltbedrohung durch versenkte Kampfstoffe zu befassen hatte.
Um den nationalen Beitrag hierfür zu erstellen, ist auf Betreiben Schleswig-Holsteins in den Jahren 1992 und 1993 das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in Hamburg durch das Bundesministerium für Verkehr beauftragt worden, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, um eine umfassende Bestandsaufnahme der Versenkungsorte, der Mengen und der Art der in der Ostsee versenkten Kampfstoffmunition zu erstellen, die Situation zu bewerten und Empfehlungen für das weitere Vorgehen zu erarbeiten. Hierzu wurden eingehende Recherchen durchgeführt, bei denen zahlreiche Zeitzeugen befragt und Akten, wissenschaftliche Untersuchungen sowie Fernseh- und Zeitungsberichte ausgewertet wurden. Dabei wurden insbesondere auch neu zugängliche Quellen aus der ehemaligen DDR genutzt. Eine Arbeitsgruppe mit derselben Zielsetzung begann zeitgleich auch in Dänemark mit entsprechenden Untersuchungen, die zusammen mit Quellen aus Schweden, Norwegen und Russland ebenfalls berücksichtigt wurden.
Das Ergebnis der deutschen Arbeitsgruppe wurde 1993 im Abschlussbericht des BSH "Chemische Kampfstoffe in der Ostsee" zusammengefasst. In dem Bericht sind die Erkenntnisse über Versenkungen und das Gefährdungspotential aus Sicht der
nationalen Fachkräfte und ausländischer Quellen festgehalten. Von dieser Kommission wurde ermittelt, dass in der Ostsee zwischen 42.000 und 65.000 t Kampfstoffmunition versenkt wurden. Aufgrund nicht ganz gesicherter Zeugenaussagen konnte die Menge nicht genauer eingegrenzt werden.
Versenkungsgebiete im einzelnen waren:
a) Kleiner Belt: 69.000 Tabungranaten und 5.000 t Bomben und Granaten, gefüllt mit Tabunen und Phosgenen, 1945 versenkt durch die deutsche Wehrmacht. Die 69.000 Tabungranaten wurden 1959/1960 durch den Kampfmittelräumdienst
Schleswig-Holstein gehoben.
b) Bornholmbecken (östlich von Bornholm): 35.000 t Bomben und Granaten, gefüllt mit Lost in unterschiedlicher Konsistenz und arsenhaltigen Kampfstoffen (Clark I, Clark II, Adamsit, Phosgen, Tabun und Zyklon B). Die Versenkung veranlaßte die sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) in den Jahren 1947 bis 1948. Ca. 200 t wurden durch Behörden der DDR in den Jahren 1952 bis 1965
versenkt.
c) Gotlandbecken (südlich von Gotland, südwestlich Liepaja): Rund 2.000 t Kampfstoffmunition unbekannter Zusammensetzung. Die Versenkung wurde durch die SMAD im Jahre 1947 veranlaßt.
d) Transportwege zu den Versenkungsgebieten: Nach zahlreichen Zeugenberichten wurde Kampfstoffmunition auf den Zufahrtswegen vom Ostseehafen Wolgast in das Versenkungsgebiet östlich von Bornholm versenkt. Mengen und die genauen Positionen sind unbekannt.
Die deutsche Expertengruppe kam zu der Gefährdungseinschätzung, dass auf Grund der chemischen und physikalischen Eigenschaften der Kampfstoffmunition nur von den schwer löslichen und schwer abbaubaren arsenhaltigen Kampfstoffen
der Gruppen Clark, Adamsit und Lost in unterschiedlicher Konsistenz eine Gefährdung ausgehen könnte. Die übrigen Kampfstoffe werden durch das Meerwasser relativ rasch zu ungiftigen Produkten abgebaut.
Eine Gefährdung der Küsten ist praktisch auszuschließen. Bisher konnte kein einziger Fall nachgewiesen werden, in dem versenkte Munition oder Kampfstoffreste aus den Versenkungsgebieten der Ostsee durch Strömungen an die Küsten getrieben wurden.
Eine großräumige Gefährdung des maritimen Milieus durch im Meerwasser gelöste Kampfstoffe kann ebenfalls ausgeschlossen werden. Es ist allerdings möglich, dass schwerlösliches Clark, Adamsit oder dickflüssiges Lost im Sediment in erhöhten Konzentrationen in unmittelbarer Nähe der Versenkungsstellen auftreten. Aufgrund der sehr begrenzten lokalen Ausdehnung und der Immobilität des Sediments besteht jedoch nach jetziger Kenntnislage keine Gefährdung der maritimen Fauna und Flora.
Eine reale Gefährdung durch die in der Ostsee versenkten Kampfstoffe und Kampfstoffmunition betrifft die Besatzungen von Fischereifahrzeugen, die in den Versenkungsgebieten fischen. Hier besteht die Gefahr, dass Behälter mit chemischen Kampfstoffen bzw. Kampfstoffmunition mit Grundschleppnetzen eingefangen und an Bord geholt werden. Für die Mannschaft der Fischkutter besteht dadurch grundsätzlich eine Kontaminationsgefahr. Eine Gefährdung des Verbrauchers durch kontaminierten Fisch ist unwahrscheinlich und bisher nicht belegt.
Im Versenkungsgebiet östlich von Bornholm ist die Gefahr am größten, da hier die meiste Munition versenkt wurde, von der der größte Teil Lost enthält.
Da im Kleinen Belt leicht abbaubare Nervenkampfstoffe wie Phosgen und Tabun versenkt wurden, besteht hier nach Auffassung der Experten keine Gefahr für die Fischerei durch freigesetzte Kampfstoffe.
In den deutschen Hoheitsgewässern der Ostsee wurde keine Kampfstoffmunition versenkt (mit Ausnahme einer möglichen Versenkung auf den Zufahrtswegen), so dass hier auch keine Bedrohung vorhanden ist.
Den Fischern, die ostwärts Bornholm auf Fang gehen, sind die Versenkungsgebiete bekannt. Es ist ihnen auch bekannt, dass dort nicht mit Grundnetzen gefischt werden darf. Für einen dennoch möglichen Unfall haben sie Merkblätter der Seeberufsgenossenschaft an Bord und können auch Hilfe der dänischen Behörden auf Bornholm in Anspruch nehmen. Letztmalig wurden 1984 zwei deutsche Fischer beim Bergen eines Netzes mit Kampfstoff kontaminiert.
In ihrem 1994 vorgelegten Abschlußbericht kommt auch die internationale Arbeitsgruppe der Helsinki-Kommission zu denselben Schlüssen und empfiehlt darüber hinaus, Kampfstoffmunition nicht zu bergen, da hierbei unvertretbar hohe Risiken für die mit der Bergung beauftragten Personen auftreten würden.
Frage 2
Wie hoch schätzt die Landesregierung das Gefährdungspotential? Auf welchen Fakten basiert diese Einschätzung?
Das Gefährdungspotential ist nach den in Antwort 1 zusammengefaßten Aussagen der nationalen und internationalen Kommissionen als gering einzustufen.
Frage 3
Gibt es Überlegungen/Maßnahmen, das Gefährdungspotential zu reduzieren/zu
vermeiden? Falls ja, welche?
Aus den Antworten zu Frage 1 und 2 ergibt sich, dass hier kein Handlungsbedarf gegeben ist.
Frage 4
Hat die Landesregierung eine internationale Initiative ergriffen, z. B. Bestimmung einer Task Force aller Ostseestaaten, um das Problem zu lösen?
Dies ist bereits 1993 geschehen, siehe dazu Frage 1.
Frage 5
Gibt es ein Handlungskonzept für die nächsten fünf Jahre?
Aus den Antworten zu den Fragen 1-4 ergibt sich, dass hier kein Handlungsbedarf gegeben ist.
C-Kampfstoffe auf dem Meeresgrund der Ostsee
Vom: 12.09.2002
Quelle: http://www.oekosmos.de/artikel/details/c-kampfstoffe-auf-dem-meeresgrund-der-ostsee/
Autor: karin dinges
Auf dem Grund der Ostsee tickt die Zeitbombe. Ca. 300.000 t Munition, von den Alliierten nach Kriegsende "notentsorgt", korrodieren langsam vor sich hin und geben ihren Inhalt frei: Gift.
Darunter: Hautkampfstoffe wie das arsenhaltige Lewisit, N-Lost und aus dem Iran-Irak-Konflikt bekannte S-Lost (Senfgas), die Reizstoffe Adamsit, Clark I und II, den besonders gefährlichen Nervenkampfstoff Tabun und das zu den Lungenkampfstoffen gehörende Phosgen, welches die unteren Atemwege schädigt und zu toxischen Lungenödemen führt - bei Nichtbehandlung zum Tod durch Ersticken.
Naturschutzverbände fordern Beseitigung von Giftgas in der Lübecker Bucht
Pressemitteilung von: NABU Schleswig Holstein - Gesellschaft zur Rettung der Delphine e. V. - Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere e. V.
Quelle: http://www.openpr.de/news/183066/Naturschutzverbaende-fordern-Beseitigung-von-Giftgas-in-der-Luebecker-Bucht.html
Neumünster, Quickborn, München, 21. Januar 2008 - NABU, Gesellschaft zur Rettung der Delphine (GRD) und Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere (GSM) fordern von der Hansestadt Lübeck die Beseitigung eines höchst gefährlichen Erbes aus dem Zweiten Weltkrieg. Nach Darstellung des Munitionsexperten Dr. Stefan Nehring aus Koblenz anlässlich des von den drei Naturschutzverbänden veranstalteten Symposiums 'Neue Methoden der Munitionsbeseitigung in Nord- und Ostsee' wurden 1961 auf Anordnung der Hansestadt Lübeck 13 Flaschen mit insgesamt 520 l Chlorgas und je eine Flasche mit 10 l Lachgas bzw. 10 l Phosgen versenkt. Die Versenkung erfolgte vor der Travemündung bei ca. 20 m Wassertiefe.
Bei Chlorgas und Phosgen handelt es sich um besonders gefährliche chemische Kampfstoffe, die im 1. und 2. Weltkrieg produziert wurden. Die Versenkung wurde damals offiziell als "Chemikalienbeseitigung" deklariert, damit sie nicht als Munitionsaltlast zu führen ist. So ist die Versenkungsstelle auch bis heute auf keiner amtlichen Seekarte verzeichnet. Die genaue Herkunft der Kampfstoffe ist nicht bekannt.
In einem Brief an den Bürgermeister Bernd Saxe haben die drei Naturschutzverbände die Hansestadt Lübeck als Verursacher aufgefordert, umgehend die gefährlichen Kampfmittel zu bergen und für deren gefahrlose Beseitigung zu sorgen.
"In 20 m Wassertiefe können Kampfstoffbehälter durch Strömungen abgetrieben werden. Die Gefährdung von Strandbesuchern durch angespülte Behälter lässt sich daher nicht restlos ausschließen", erklärt Petra Deimer von der Gesellschaft zum Schutz der Meeressäugetiere GSM.
Dass Kampfstoffreste an die Küsten getrieben werden, soll nach einer Studie des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) aus dem Jahr 1993 "praktisch auszuschließen" sein. Dies wird allerdings widerlegt durch mehrere Funde von Kampfstoffbomben an den Stränden von Rügen (1954), Bornholm (1992) und in Polen.
Das Anspülen von Giftgas in der Lübecker Bucht ist jedoch nur ein Teil des Problems, das von den zahlreichen Munitionsaltlasten im Meer ausgeht. Spurenmetalle aus Munitionsteilen (z. B. Quecksilber aus Zündern oder Arsen aus den chemischen Kampfstoffen Clark oder Adamsit) reichern sich in Speisefischen und anderen Meeresorganismen an. Auch das zähflüssige Senfgas wird kaum abgebaut.
Konventionelle Sprengstoffe wie Trinitrotoluol sind Krebs erregend und wirken in der Meeresumwelt hoch toxisch. Sprengungen unter Wasser gefährden Meeressäugetiere.
NABU-Landesvorsitzender Hermann Schultz: "Nachdem auf dem Symposium über neue Methoden zur Munitionsbeseitigung in Nord- und Ostsee gezeigt wurde, dass Techniken für die Bergung und Beseitigung von Altmunition zur Verfügung stehen, ist es nun Zeit zu handeln. Das Risiko für die Meeresumwelt und den Tourismus wird umso größer, je länger wir warten. Es ist bereits jetzt nicht mehr hinzunehmen."
Bis zu 300.000 Tonnen chemische Kampfstoffmunition und mehrere 100.000 Tonnen konventioneller Munition werden als gefährliches Erbe zweier Weltkriege am Grund der Ostsee vermutet. Die meisten Chemiewaffen wurden zwischen 1945 und 1947 im Bornholmbecken und Gotlandtief sowie auf den Zufahrtswegen zu den Versenkungsgebieten verklappt. Aber auch an unseren Küsten tickt die Zeitbombe. Dass Kampfstoffreste an die Küsten getrieben werden, soll nach einer Studie des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) aus dem Jahr 1993 "praktisch auszuschließen" sein.
Zeitzeugen erinnern sich jedoch an einen Fund einer Kampfstoffbombe am Selliner Strand auf Rügen im Jahr 1954. Im Februar 1992 fanden Spaziergänger am Sandstrand von Dueodde auf Bornholm eine 250 Kilogramm schwere Bombe bestückt mit Senfgas. Aus Polen wird ebenfalls von mehreren Senfgasfunden an Stränden berichtet.
Kontakt:
Dipl. Biol. Sven Koschinski, Tel. 04526 - 381716
Dr. Stefan Nehring, Tel. 0261 - 13303-98
Querverweise
Eine bombige Arbeit
Link zum Artikel: Der Kampfmittelräumdienst Schleswig-Holstein
Der Krieg im Norden
Weitere Photos in der Galerie - Krieg im Norden
Weitere Quellen und Artikel
Granaten im Sand: Strand gesperrt
9.4.2014, Ostsee-Zeitung
Am Strand von Rerik (Landkreis Rostock) ist Mittwochabend Munition aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden worden. Nun ist der Strand vorläufig unzugänglich - ausgerechnet vor dem Gäste-Ansturm zu Ostern.
Link: www.ostsee-zeitung.de
Chemische Gefahr auf dem Grund der Ostsee
26. März 2013, Uwazam Rze, Warschau
Tausende Tonnen von chemischen Waffen ruhen seit Ende des Kriegs 1945 auf dem Grund der Ostsee. Ein tödliche Gefahr für Mensch und Umwelt. Die Fässer und Bomben rosten und es droht jeder Zeit die Gefahr, dass der Giftcocktail entweicht.
Link: www.presseurop.eu
Gift und Sprengkraft aus der Tiefe
Von Axel Bojanowski, Spiegel Online, 2.4.2007
Alte Bomben, giftige Chemikalien, plötzliche Explosionen - Experten schlagen Alarm: Die Ostsee ist in den kommenden Jahren durch rostende Munition akut bedroht. Schon jetzt gebe es beunruhigende Zwischenfälle. Trotzdem untersuchen die Behörden das Problem nur sporadisch.
Link: www.spiegel.de
Kampfmittel und Kampfstoffe im Meer
Minsterium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Kiel
- Auswirkungen von versenkter Munition auf die Meeresumwelt
- Internationale und europäische Grundlagen
- Auswirkungen durch Munitionssprengungen
Link: www.schleswig-holstein.de
Munitionsreste in der Ostsee: "Die Behörden zeigen kein Interesse"
"Stefan Nehring hat Unfälle mit Munition dokumentiert - und zwar deutlich mehr als das Bundesamt für Seeschifffahrt. Interview von Axel Bojanowski."
Link: Sueddeutsche.de
Pulverfass Ostsee
"Phosphorbomben, Senfgas, Minen: In der Ostsee rosten riesige Mengen verklappter Weltkriegsmunition vor sich hin. Wissenschaftler fordern deren sofortige Entsorgung, die Behörden wiegeln ab: Sie fürchten die immens hohen Kosten."
Link: taz.de
Published by Ostufer.Net 2004 / 2014
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