Wer im Regen steht, wird nass. Das lässt sich überleben. Wenn es jedoch immer wieder Dachziegel regnet und man getroffen wird, ist man vielleicht tot. Im Kiel-Dietrichsdorfer "Afrikaviertel" regnet es schon seit Jahren immer wieder Dachpfannen. Die BGP-Hausverwaltung in Kiel wurde schon mehrmals auf den völlig desolaten und gefährlichen Zustand einiger Dächer hingewiesen. Passiert ist nichts. Obwohl die Hausverwaltung eigentlich selber sehen sollte, in welchem maroden Zustand viele Dächer sind. Aber hier herrscht genau so viel Desinteresse wie an dem miserablen bis gesundheitsgefährlichem Zustand vieler Wohnungen.
Oktober 2013: Die Polizei blockiert die Hertzstraße, die Feuerwehr fungiert als Ersthelfer, um schlimmeres zu verhindern. Es ist ein ganz normaler Dienstag zwischen 13 und 14 Uhr. Von der Hausverwaltung ist niemand zu sehen. Wie viele Dachziegel in den Folgejahren und vielleicht schon früher bei so gut wie jedem Sturm den Halt verloren haben, dazu sprechen die Flickenteppiche auf den Häusern eine deutliche Sprache.
Man beachte die Dachpfanne rechts neben dem Weg. Wenn die so auf einen Kopf aufschlägt, bleibt von diesem Kopf nicht mehr viel übrig. Sollte die Bruchlandung auf einem der vielen Kleinkinder im Viertel enden, dann haben die Eltern vielleicht nicht mehr ein Kind, sondern zwei halbe.
Dieses Abdeckblech wurde von einem Schornstein geweht und dann cirka 30 Meter durch die Gegend gewirbelt. Gelandet ist es auf einer öffentlichen Straße. Das Blech wurde zwar eingesammelt, aber der Schornstein wurde auch Wochen später noch nicht repariert.
Auch die etwas neueren Dächer bröseln: Diese Trümmer lagen lange Zeit genau neben einem viel benutzten Fußweg. Auch vom Haus auf der anderen Seite des Weges sind schon Dachziegel herabgefallen. Beim letzten Sturm sind wieder Dachteile auf dem Fußweg gelandet. Bestückt mit spitzen, rostigen Nägeln.
Dass immer wieder Dachpfannen fliegen, es wundert nicht. Aus den Fugen bröselt massiv der Mörtel. Der Wind fährt einfach unter die Dachpfannen und braucht diese nur noch hochzuheben. Durch die Brocken kann auch das Aufhängen von Wäsche auf den Trockenböden zu einer Gefahr werden.
Dazu wird hier in unglaublicher Verantwortungslosigkeit Energie verschwendet. Viele Dächer sind nicht im geringsten isoliert, der Wind pfeift durch die zahlreichen Löcher.
Wenn etwas an den Dächern getan wird, dann lauert massiver Pfusch. An einer Gaube wie auf dem Photo ist über Jahre bereits mehrfach versucht worden, Regen vom Eindringen abzuhalten. Das Ergebnis: An der Decke der Gaube hat sich Schimmel gebildet. Und es nässt immer noch durch, wahlweise an der Gaube oder an den Wandteilen daneben.
Ist das Kunst? Kann das ins Museum? Oder gleich auf die Deponie?
Die Häuser im Viertel sind keine x-beliebigen Plattenbauten. Hier haben die Maurer zwischen 1936 und 1943 ihr ganzes, filigranes Können bewiesen. Viele dieser althergebrachten Techniken werden heute nicht mehr beherrscht oder angewandt. Deswegen steht das ganze Viertel als Kulturdenkmal unter Denkmalschutz. Diese Historie wird von den Eigentümern an allen Ecken und Enden mit Füßen getreten.
Mit der fortschreitenden Verrottung der Häuser und der zunehmenden Wucht der Stürme wird auch die Wahrscheinlichkeit höher, dass wirklich jemand geschädigt wird. Viele Mieter trauen sich schon jetzt bei Sturm nicht mehr auf die Straße.
Lose Dachziegel überall und ein loses Teil, das schon seit Wochen in der Regenrinne liegt. Lüderitzstraße. // Edit: Diese Dächer sind mittlerweile neben wenigen anderen erneuert worden.
Große Mit-Schuld an der Trümmer-Misere tragen auch die, die schützenswerte Liegenschaften an Firmen verkaufen, die nur gierigen Profit im Sinn haben. In Kiel war das die 1997 privatisierte Kieler Werkswohnungen GmbH. Aber wer unfähig ist, so eine Liegenschaft richtig im Griff zu haben, der ist wohl auch unfähig, solche wertvollen Bauten in verantwortungsvolle Hände zu übergeben. Nach Baugesetzbuch hätte die Stadt bei jeder Veräußerung in dieser Größenordnung ein Vorkaufsrecht. Beim letzten Verkauf des Afrikaviertels im Herbst 2016 konnte die Stadt selbstverschuldet von diesem Recht keinen Gebrauch machen. Auf ein Vorkaufsrecht hat die Stadt Kiel mit Beschluss vom September 2004 komplett verzichtet.
Angesichts der Zustände im Viertel stehen nunmehr die Bauaufsicht und die Denkmalpflege in der Pflicht.
Die Dächer im Afrikaviertel: Nur ein Symptom von vielen im Land. Überall reissen profitgierige Gesellschaften möglichst große Objekte an sich. Diese ehrenwerten Firmen lassen Gebäude vielfach verkommen, dafür steigen die Mieten ins Astronomische. Und dann werden die Liegenschaften an die nächste Heuschrecke weitergereicht. Von der Politik ist keine Hilfe zu erwarten. Die Mieter müssen sich schon selbst zur Wehr setzen. Zur Hilfe gibt es Mietervereine und Anwälte. Und die Presse - jedenfalls einen Teil davon.
Fortsetzung folgt:
Jonathan S. - ein inkompetentes Debakel auf zwei Beinen und die Trümmerhaufen der BGP.
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