Rücksichtslose Profitgier, Seilschaften, unfähige Behörden: Das Ergebnis
(hk) Das zweite Haus von links: Einer dieser typischen Bauten, die den Charme der Preetzer Innenstadt ausmachen. Dieses Haus soll weg. Komplett. Und einer Bausünde und einem Anachronismus weichen.
Wie viele andere Städte auch, hat sich die Stadt Preetz bemüht, die Innenstadt von unnötigem Autoverkehr weitestmöglich zu befreien. Wenn der Zahn Kirchenstraße 25 komplett gezogen wird - was mittlerweile bereits geschehen ist - dann passiert hier das genaue Gegenteil. In der entstehenden Lücke soll eine Zufahrt für Autos zu einer Tiefgarage entstehen. Das Schlimmste wird dann hinter der gesamten Breite der vier zu sehenden Häuser folgen. Dort soll ein dreistöckiges, etwa 15 Meter hohes Haus mit acht Wohnungen und einer Tiefgarage entstehen - und Menschen und Jahrhunderte alte Natur empfindlich stören. Der ungestörte Unterricht an der Förderschule gleich nebenan könnte ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Nachbarn auf den angrenzenden Grundstücken zur anderen Seite sind begeistert: Sie müssen nun nicht nur monatelangen Baulärm ertragen, sondern auch die jahrelangen Folgen eines profitgierigen und rücksischtslosen Bau-Irrsinns. So soll die Zufahrt zur Tiefgarage genau an der Hecke zum Garten daneben erstellt werden, und das mehrstöckige Gebäude wird den Gärten einiges an Licht nehmen. Die Profite aus dem Bauvorhaben streicht der Bauherr gerne ein, die enorme Wertminderung der Nachbargrundstücke haben allein deren Eigentümer zu tragen.
Möglich wird diese Bausünde durch gleich eine ganze Reihe von Eigentoren, die die Stadtverwaltung Preetz geschossen hat. Den städtischen Schildbürgerstreich, der sich in verschiedenen, widersprüchlichen Schritten über nunmehr 40 Jahre hinzieht, haben private Bau-Rambos genutzt, um hier ihr eigenes, rabiates Süppchen zu kochen. Noch sind auf und neben der zukünftigen Baustelle die Gärten der Anwohner, eine bisher ungestörte Ruhezone direkt am Kirchsee. Durch das Bauvorhaben wird nicht nur die Ruhe der Anwohner bedroht. Der Bau-Irrsinn darf bis 50 Meter an den Kirchsee herangeführt werden. Dort befindet sich eine in Jahrhunderten gewachsene Kulturlandschaft, eine Unzahl von Tieren findet hier ein ungestörtes Rückzugs- und Brutgebiet. Zwei Grundstücke weiter befindet sich das Wildtierheim, sozusagen ein Krankenhaus für Tiere, die dort in aller Ruhe genesen können. Noch. Denn was wird passieren, wenn die Ruhe dort empfindlich gestört wird?
Die hochnotpeinlichen Eigentore der Stadt Preetz
Das Verwaltungs-Kuckucksei befindet sich links im Hintergrund dieser Garten-Aufnahme: Hier hat die Stadt Preetz ein Schulgebäude bis 50 Meter an den Kirchsee herangebaut und damit "eigentlich" gegen ihren eigenen Bebauungsplan mit der Nummer 30 aus dem Jahr 1969 verstoßen. Als 1970 das Gebäude Kirchenstraße 19 gebaut wurde, musste sich der Bauherr an die Vorgaben dieses B-Plans halten: 33 Meter von der Kirchenstraße in die Tiefe hinein, keinen Zentimeter weiter. Allerdings: Entgegen der sonst üblichen Gepflogenheit, in der Gegend nur zweistöckig zu bauen, durfte der Bauherr ein Haus mit drei Stockwerken errichten. Warum, das entzieht sich unserer Kenntnis. Was die Redaktion jedoch weiss: Der Bauherr war lange Jahre Mitglied im Bauausschuss der Stadt Preetz. Das dritte Stockwerk sollte sich - gut 40 Jahre später - als zweites Eigentor erweisen.
Bei dem erst später gebauten Schulgebäude wurde dann die 33-Meter-Vorgabe völlig ignoriert. Es wurde - hier setzt der Naturschutz eine Grenze - bis 50 Meter an den Kirchsee herangebaut. Und das war rechtens. Denn "uneigentlich" hat der Bebauungsplan 30 keine Gültigkeit. Um rechtskräftig zu werden, muss ein B-Plan vom Land abgesegnet werden. Diesen Vorgang hat man im Preetzer Rathaus irgendwie verpennt. Als ein Bauvorantrag für das Gelände eingereicht wurde, wachte man dann 40 Jahren endlich auf und verhängte im Oktober 2009 eine vorläufige Veränderungssperre für das gesamte Gebiet zwischen Markt 20 und Seestraße. Warum dann Monate später im Jahr 2010 dennoch eine Baugenehmigung erteilt wurde, ist derzeit - August 2011 - Thema anwaltlicher Nachfragen.
Die privaten Bauherren berufen sich bei ihrem Vorhaben auf besagtes Gebäude der Förderschule und möchten selber bis an die Grenze des Möglichen und in der Höhe des "Erlaubten" - drei Stockwerke hoch - ihr Bau-Süppchen kochen. Nur: Gilt das, was für die Bedürfnisse der öffentlichen Hand nötig ist, auch für einen privaten Bau-Rambo? Musste hier eine Baugenehmigung erteilt werden, die in aller Deutlichkeit gegen den Willen der alt-vorderen Stadtväter verstößt? Zudem: Die Schule fügt sich harmonisch in die Landschaft ein, sogar das Dach ist begrünt. Auf dem Nebengelände wird ein vielfach größerer Kasten entstehen. Hier ist kein dezentes Einfamilienhaus geplant, sondern ein Wohnklotz, dessen Baufläche das Areal von ganzen vier Hausnummern einnimmt. Acht Wohneinheiten, dazu eine Tiefgarage: jede Menge Lärm und Dreck sind vorprogrammiert. So wie auf der Photomontage im Bild rechts wird es mit Sicherheit nicht aussehen, von den Dimensionen her ist es noch viel zu klein. Zum Vergleich: 15 Meter Höhe, das sind drei 5-Meter Türme im Schwimmbad übereinander.
Soweit die Sachlage bis vor einigen Monaten. In der Zwischenzeit hat der anscheinend etwas klamm gewordene Duodez-Baulöwe die vier Grundstücke verkauft und saniert mit den Einnahmen schon seit Monaten seine maroden Gebäude direkt an der Kirchenstraße. Am Bauvorhaben an sich hat sich nichts geändert. In der lokalen Presse gibt Bürgermeister Schneider zum Besten, dass "... ein Riegelgebäude auf mehreren der langen und schmalen Grundstücke ..." verhindert werden soll. Wie Bürgermeister Schneider, der keine Gelegenheit auslässt, sich als Fachmann für Verwaltung darzustellen das anstellen will, das hinterfragt die devot-gutgläubige Lokalpresse nicht. Die Redaktion hat einen Fachmann für Verwaltung gefragt: "Auf rein rechtlichem Weg wird das eher nicht funktionieren. Da die Schule ein öffentliches Gebäude ist, müsste die Verwaltung praktisch gegen sich selbst klagen. Und wird mit an 100 Prozent grenzender Wahrscheinlichkeit eine krachende Bruchlandung hinlegen."
Reden Häuptling mit gespaltener Zunge? Wahrscheinlich. Denn wie schon öfter, wenn es in Preetz um die Zerstörung von Natur geht, soll Bürgermeister Schneider auch in diesem Fall an vorderster Front stehen. Nach neueren Informationen, die der Redaktion vorliegen, ist er derjenige, der Planierraupe und Betonlaster erst richtig in's Rollen gebracht hat. Die Rede ist von einer Seilschaft bestehend aus der Hausbau Probstei GmbH, einer stadtbekannten Preetzer Bank und Bürgermeister Schneider. Letzterer soll an den ehemaligen Eigentümer B. aus Plön mit der Anfrage herangetreten sein, ob dieser sein Grundstück nicht zwecks Bebauung zur Verfügung stellen möchte. Dass Eigentümer Berg für die Genehmigung seines Bauvorantrages letztendlich mit keinerlei Schwierigkeiten zu rechnen hatte, dürfte bei einer derartigen Konstellation einleuchtend sein. Zudem wurde der städtische Bauausschuss hinter's Licht geführt. Mit der Bauvoranfrage wurde die Skizze eines netten, kleinen Häuschens eingereicht. Die tatsächlichen Pläne hat der Bauausschuss erst durch die Redaktion zu Gesicht bekommen - und sich vorher auch nie selbsttätig um einen Einblick in die Bauakte gekümmert. Die Aufsichtspflicht wurde sträflich vernachlässigt.
So wurde die Baugenehmigung trotz eines sehr viel anders gedachten B-Plans dann auch erteilt - weisungsberechtigt ist in so einem Fall der Bürgermeister. An einer Offenlegung seiner Machenschaften hat Bürgermeister Schneider natürlich wenig Interesse. Nur kurze Zeit nach der Veröffentlichung dieses Artikels auf unserer Tochterseite Preetz-Info kam - mit privatem Mailabsender - die bürgermeisterliche Aufforderung, diesen Artikel sofort zu löschen. Nix da.
Photo-Dokumentation
Die Vorschaubilder lassen sich durch Anklicken vergrößern.
Das Baugelände von der Seeseite aus. Diesen herrlichen Anblick genießen nicht nur Einheimische und Besucher, die einen Spaziergang auf der Ostseite des Sees machen. Prachtvolle Anblicke wie dieser sind es auch, die die ganze Gegend zu einem beliebten Revier für Wasserwanderer machen. Zur Pracht gehört natürlich die mannigfaltige Tierwelt. Allein in dem zu sehenden Bereich leben verschiedene Entenarten, Gänse, Bläßhühner, Haubentaucher, Meisen, Amseln, Schwalben, Spatzen, Fledermäuse, Igel, Schlangen, Libellen ...
Wie einmalig dieses Gebiet ist, hat auch die Europäische Union erkannt. Sie hat die Schwentine, beginnend mit dem Ende des Kirchsees bis hin zur Kieler Förde vor Kurzem in das neue Schutzprogramm "Natura 2000" aufgenommen. Die örtlichen Naturschutzverbände hingegen verharren in peinlicher Untätigkeit. Die Vogelschutzbeauftragte des BUND wolle sich "mit dem Thema auseinandersetzen". Das ist ist jetzt Monate her. Desgleichen der örtliche Statthalter des NABU. Dieser sinngemäß: "Wenn dort ein Bebauungsplan vorhanden ist, dann ist eben ein Bebauungsplan vorhanden". Die "Grünen" werfen anderen zwar vor, die "Grüne Lunge von Preetz wieder einmal schwer zu schädigen", aber in dieses Jammertal begibt man sich anscheinend nur dort, wo genügend Wählerstimmen einzufangen sind.
Monatelang der Status Quo: Bauschutt, achtlos abgelagert in einem ehemaligen Gartenteich. Wie soll es hier aussehen, wenn erst eine "richtige" Baustelle entsteht? Konsterniert über die Manieren und die Vertrauenswürdigkeit des nunmehr ehemaligen Bauherrn B. sind auch die Mietinteressenten, die sich Anfang 2009 eine heruntergekommene Wohnung im Haus Kirchenstraße 29 angeschaut haben, zu einem Zeitpunkt also, als der Vermieter sein Vorhaben längst geplant hatte. Ihnen wurde das jetzige Baugelände als Garten mitangeboten, von einem Neubau auf dem Gelände kein Wort.
Schon vor etlichen Monaten gefällt: Vier große Bäume, deren Reste jetzt vor sich hin rotten.
Das Ostufer des Kirchsees: Weitestgehend freie Sicht auf den See. In dieser Gegend wohnt auch der Preetzer Bürgermeister Schneider (Das ist der - so jedenfalls die Pressemitteilung der Polizei - in dessen Rathaus sich stundenlang Einbrecher herumtreiben, und der dann hinterher nicht mal genau sagen kann, was ihm an wichtigen Bundespapieren geklaut wurde). Was würde er wohl sagen, wenn man ihm ein dreistöckiges Gebäude vor die Nase setzt?
Zwar wurde versprochen, die Zone zwischen Baugrundstück und Kirchsee zu schonen, aber was solche Versprechungen wert sein können, davon wissen die Anwohner der Kührener Straße - im Volksmund mittlerweile "Schneider-Rennbahn" genannt - ein lautes Klagelied zu singen. Nach einem immer noch schwer erklärungsbedürftigen Verfahren wurden hier weit mehr Bäume umgelegt als vorher angesagt wurde. Auch der Birkenweg hat seit seinem Umbau eher den Namen Kahlschlagweg verdient.
Zum Gelände am Kirchsee meint der Bürgermeister in der lokalen Kotau-Presse: "Es gibt dort Biotope, die wir erhalten wollen." Besser und richtiger wäre: "... erhalten müssen". Denn auf diese 50 Meter hält der Naturschutz seinen Daumen. Zum Glück.
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