Oder: Baukunst in der Kirchenstraße 25 - Die Chamäleon-Wohnungen
(hk) Im stets so bieder daherkommenden Städtchen Preetz geht der Schwund um. An die 100 Bäume sind in der letzten Zeit im Preetzer Stadtgebiet verschwunden. Und nicht einmal der verantwortliche Bürgermeister Schneider kann an mancher Stelle genau sagen, wie und warum. Wie sollte er auch. Schliesslich sind erst im März 2012 vier Bäume genau vor seinem Haus verschwunden. So hat er nun einen noch besseren Blick auf Kirchsee und Stadtkirche als vorher. Damit nicht genug. Man beginnt zu ahnen, warum alle möglichen Stellen in der Preetzer Innenstadt mit Wohnungen zugepflastert werden sollen. Reine Vorsorge, denn in Preetz verschwinden ganze Wohnungen. Das Erstaunliche: In der Kirchenstraße 25 verschwinden Wohnungen, bevor sie überhaupt gebaut werden.
Von vorne: Anfang April entdeckt eine Preetzerin auf einer bundesweiten Webseite für Immobilien und auf der Webseite eines Preetzer Maklers je 2 Vermietungsangebote. Das Objekt: Der Neubau in der Kirchenstraße 25. Ihr fällt auf, dass die beigefügten Grundrisse und Beschreibungen sehr viel anders aussehen als das, was in der Baugenehmigung erlaubt wurde. Treppen erscheinen, wo eigenlich keine sein sollen, aus Wohnungen mit drei Zimmern in einem Geschoss werden "4-Zimmer-Maisonette-Wohnungen" über zwei Etagen. Aus einer erlaubten Wohnfläche von 115 qm werden plötzlich 164 qm. Eine Nachfrage beim Leiter der Bauaufsicht, Christoph Roy ergibt: Für die zwei angebotenen Wohnungen gibt es in dieser Form keine Baugenehmigung. Nur kurze Zeit nach diesem Gespräch wird Bauherr Rath beim Büro des Preetzer Maklers gesehen. Noch ein wenig später sind plötzlich alle vier Angebote aus dem Internet verschwunden. Zufall?
Viele "kleine Bauherren" in Preetz wissen es: Wer auch nur wenig vom Erlaubten abweicht, läuft Gefahr, sich den behördlichen Unmut der allmächtigen Preetzer Bauaufsicht zuzuziehen. In der Kirchenstraße 25 ist das anders. Trotz Kenntnis scheinen weder Bauaufsicht noch Bürgermeister Schneider die Absicht zu haben, hier einzuschreiten. Beide finden nichts dabei, dass Bauherr Rath über einen Preetzer Makler etwas anbietet, das er eigentlich nicht hat und dass Rath ganz offensichtlich gegen behördliche Genehmigungen verstoßen will. Strafbar ist das Verhalten aller Beteiligten erstaunlicherweise nicht - aber Seriosität steht auf einem ganz anderen Blatt.
Neben der Seriosität ist auch die Glaubwürdigkeit auf der Strecke geblieben, speziell die von Bürgermeister Schneider. Zum Baugelände hatte er in der Lokalpresse verlautbaren lassen: "Es gibt dort Biotope, die wir erhalten wollen." Von diesen Biotopen ist nicht mehr viel übrig, siehe Photos. Ebenfalls in der gutgläubigen Lokalpresse war zu lesen, dass Schneider einen "Riegelbau auf mehreren der langen und schmalen Grundstücke" verhindern wolle. Das Ergebnis dieser "Bemühungen" ist für die vielen, entsetzten Preetzer nicht mehr zu übersehen. Gebaut wird eine 15 Meter hohe Sandsteinwarze, die so gut ins Preetzer Stadtbild passt wie eine Kakerlake auf den Sonntagskuchen. Während das Bauvorhaben schon längst unter Dach und Fach war, wurden die besorgten Anwohner bei wiederholten Anfragen auf dem Rathaus immer wieder für dumm verkauft. Vor kurzem zeigte Schneider nun sein wahres Gesicht: In einem Schreiben an eine Preetzer Anwaltskanzlei stellt sich Seine Glaubwürdigkeit voll und ganz hinter Bauherrn Heiner Rath.
Die Anfrage an die Stadt Preetz, ob ein Baustopp verhängt wurde, blieb bisher zweimal unbeantwortet - ein Verstoß gegen das Pressegesetz. Irgendeine Form von Baustopp hat sich Bau-Rambo Heiner Rath anscheinend selbst verordnet. Seit Anfang Mai sind Mann und Material der ausführenden Baufirma verschwunden. Auf der nördlichen, oberen Wohnung befinden sich nun Deckenplatten, auf der südlichen Seite wurde es bei "Open Air" belassen. Seit dem 7. Mai ist nun eine neue Firma am Werkeln. Statt des in der Bauakte vorgesehenen Spannbetons wird mit Holz gearbeitet. Zulässig?
Verschwunden ist auch das letzte Angebot im Schaufenster des Preetzer Maklers für "4-Zimmer-Maisonette-Wohnungen". Neuerdings werden zwei "4-Zimmer-Wohnungen" angeboten.
Die verschiedenen Beschreibungen besitzen die Wandlungsfähigkeit eines Chamäleons: Ein "Dachgeschoss + Spitzboden" ist nun ein "II. Obergeschoss + Dachboden", über das Wohnzimmer gelangt man nun nicht mehr in das "große Staffelgeschoss-Studio", sondern nur noch in das "Dachgeschoss mit Zugang zur Loggia". Ganz verschwunden sind rund 50 qm Wohnfläche in der nördlichen Wohnung - aus ehemals 164 qm sind nun wieder die erlaubten 115 qm geworden. Wie allerdings aus sechs genehmigten Zimmern acht werden sollen, das bleibt ein Geheimnis. Sollte mit dem jeweils vierten Zimmer etwa der Dachboden gemeint sein, der in der erlaubten Fassung der Bauzeichnungen den Vermerk "Kein Aufenthaltsraum" trägt? In der Auflage des Kreises Plön heisst es: "Die Räume im Dachgeschoss dürfen zurzeit nicht zu Aufenthaltszwecken genutzt werden."
Nur auf eines wollte man nicht verzichten: Die Warmmiete für die nördliche Wohnung bleibt bei fast geschenkten 1909.- Euro, das entspricht etwa 16.- Euro pro Quadratmeter. Der Durchschnittspreis für Preetz liegt bei unter 7.- Euro.
Das Bauvorhaben in der Kirchenstraße war und ist ein Skandal. Ein mehrwöchiger Baustopp wegen Verstoßes gegen das Naturschutzgesetz wurde bereits verhängt. Um diesen durchzusetzen, musste sogar die Preetzer Polizei eingreifen. Weil das Nachbargrundstück ständig mit Wasser überflutet wird, ist eine Klage anhängig. Wegen einer weiteren Klage steht ein Ortstermin mit einem Richter des Verwaltungsgerichtes Schleswig noch aus. Die Stadt Preetz hingegen schaut dem ganzen Treiben tatenlos zu. Und ist nun bereits seit mehr als 40 Jahren nicht in der Lage, den rechtsfreien Raum im gesamten Areal in den Griff zu bekommen. Wäre man 1969/70 in der Lage gewesen, einen simplen Bebauungsplan formgerecht zu verabschieden, dann hätte auf dem Gelände überhaupt nicht gebaut werden dürfen.
Zum Wohle aller Preetzer und ihrer Stadt sollte das anrüchige Bauamt sofort geschlossen werden und die Kompetenzen, so wie es für den gesamten Kreis üblich ist, in die Hände der Kreisverwaltung in Plön gelegt werden. Ein Schritt, der schon wegen der katastrophalen Finanzlage der Stadt Preetz nur gut sein kann.
Die Photos
So wurde die Natur auf dem Baustellengelände zerstört. Damit Bauherr Heiner Rath für eine Handvoll Mieter Wohnungen mit Blick auf den Kirchsee anbieten kann, müssen nun hunderte von anderen, die das Naherholungsgebiet Kirchsee nutzen, statt auf eine urwüchsige Naturlandlandschaft auf einen nichtssagenden, völlig überproportionierten Klotz von 15 Metern Höhe gucken.
Fortsetzung folgt.
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